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2582 - Ein Kind der Funken

2582 - Ein Kind der Funken

Titel: 2582 - Ein Kind der Funken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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mysteriös fremde wurden interpretierbar. Visionen optischer Natur,

Farben, Formen und Perspektiven, begannen süßlich oder streng zu riechen, seine paranormalen

Sinne sanftleis zu streicheln oder unangenehm lautspitzig zu pieken.
    Da waren Hitze, grelle Helligkeit, versengender Druck mit grausamem Kribbeln, mit Chilischärfe

und Ammoniakgestank. Extrem fordernd, eine tödliche Gefahr. Dorthin durfte er sich unter keinen

Umständen wenden.
    Der brodelnde Psi-Orkan!, erkannte Tanio.
    Sogleich verblich die Wahrnehmung.
    Nicht bewerten, Idiot. Nimm dich wieder zurück!
    Erneut gewann er Klarheit in der Unschärfe. An mehreren Stellen verwoben sich goldene und

silberne Laminate, schlangen sich violette Bänder zu Sphärenharmonien auf und zu eindringlichem

Vanillegeschmack. Laszive Reimformen, verfemte Düfte stürmten auf Tanio ein, eine Unzahl von

Assoziationen und das warme Gefühl einer ...
    Heimat.
    *
    So gut wie nichts hier entsprach jenem Abklatsch von Leben, in dem er sich 114 Jahre lang

sinnlos verausgabt hatte. Alles war anders, ein glorioses Spektakel, das er nun immer besser zu

filtern vermochte; eine Wunderwelt, in der er sich sukzessive müheloser und eleganter

bewegte.
    Tanio lernte Nahes von Fernem, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Schemen entpuppten

sich als Inhalte, als Massen und Frachten, Lasten und Ladungen. Marginalien wandelten sich

zu Substanzen, Kernen, Stoffen und Wesen.
    Alles war anders. Zwei nach alter Sichtweise weit voneinander entfernte Punkte lagen

haarscharf benachbart, weil sie ein zeitverlustfreier Hyperstrom verband. Während ehedem räumlich

Zusammengehörendes nunmehr extrem ausgedehnt wirkte, wenn keine energetische Verbindung

bestand.
    Nach wie vor hatte er Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Aber Orientierung im Sinne eines

Vergleichs mit den Gegebenheiten im Normalraum interessierte ihn ohnedies immer weniger.
    In den Strömen war das wahre Leben, und er war ein Teil davon. Energie durchpulste ihn, lud

ihn auf, lud ihn ein.
    Tanio nahm an.
    *
    Wie lange er die schrecklich schönen Gefilde durchstreifte, hätte er nicht angeben können.

Stunden? Wochen? Zeit spielte keine Rolle.
    Er flanierte durch Alleen aus blühenden Feuersäulen. Bestaunte monumentale Positronen-Pagoden.

Surfte auf den schäumenden Wellenkronen ätherischer Meere.
    Schließlich kam er zu einem leuchtenden Berg, um dessen Doppelgipfel sich Nebelwolken

schmiegten. Am Fuße des Massivs lag eine Stadt aus Eisen. Verrostet, verlassen, ausgestorben.
    Hinter den Häusern begann ein Pfad, der sich in Serpentinen den Hang hinaufwand. Tanio folgte

ihm. Anfangs war der Weg breit und ausgetreten, aber bald wurde die Bergflanke steiler und der

Pfad zum Klettersteig.
    Das Gelände war trügerisch, das Gestein brüchig, kein Verlass auf die losen Sicherungsseile

und morschen, wackligen Leitern. Trotzdem kletterte Tanio weiter, immer weiter. Er kannte sein

Ziel.
    Die Nebelwolken brummten und knisterten vor Entladungen. Es roch nach Salpeter.
    Häufig zuckten grelle Blitze auf. Wo sie einschlugen, zerplatzten Felsen zu Geröll, fuhren

Lawinen donnernd zu Tal.
    Tanio erreichte den ersten Gipfel und die halb im Schnee begrabene Station der Seilbahn, die

fast waagrecht hinüber zum zweiten, nur wenig höheren Gipfel des Berges aus Licht führte. Eine

einzelne, matt goldene Gondel schaukelte quietschend im Sonnenwind. Tanio bestieg sie und

betätigte die Handkurbel und die Pedale.
    Ächzend und ruckelnd setzte sich die Gondel in Bewegung. Den Abgrund zu überwinden war

Schwerstarbeit. Tanio kurbelte und trat wie besessen. Sein Schweiß floss in elektrischen

Strömen.
    Nach etwa zwei Dritteln der Strecke drohten seine Kräfte zu erlahmen. Das armdicke, rostige

Tragseil hing durch, sodass es jetzt immer steiler aufwärtsg in g.
    Tanio kämpfte gegen das Gewicht der Gondel an, die von Zentimeter zu Zentimeter schwerer

wurde. Als fülle sie sich mit Erinnerungen und mit Schuld; als käme bei jeder Drehung der Kurbel

ein weiterer unverdienter Goldbarren seines Erbes hinzu.
    Die Anstrengung war übermenschlich. Das musste so sein.
    *
    Unter Aufbietung der letzten Energien schaffte er es bis zur Gegenstation.
    Völlig erschöpft torkelte er aus der Gondel und die wenigen, von Schnee bedeckten Stufen

hinauf zur Kapelle. Ein Vorhang aus Eiszapfen verschloss den Eingang. Tanio brach hindurch, wobei

er sich Schnittwunden an den Händen und im Gesicht

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