2885 - Flammen tilgen alle Spuren
müssen.«
***
Zwei Tage nach der Beisetzung von Katara und Zuko Tseng klingelte mein Handy. Ich war mit Phil gerade zu Fuß in Manhattan unterwegs.
Ich holte das Mobiltelefon aus der Tasche und meldete mich. Am anderen Ende war Marty Garrett. Ich blieb stehen. Phil ging auch nicht weiter.
»Hallo, Marty, was gibt’s?«, erkundigte ich mich. »Hast du Neuigkeiten für mich?«
»Jemand fängt an, in gewissen Kreisen kräftig umzurühren, Jerry«, berichtete das Ohr .
»Wie macht sich das bemerkbar?«, fragte ich.
»Einer hat ein blaues Auge. Einem anderen fehlt ein Schneidezahn. Hier eine Platzwunde. Da ein gebrochener Finger. Dort eine ausgerenkte Schulter. Da will einer was ganz Bestimmtes wissen, und wenn man es ihm nicht sagt, wird er böse.«
»Was will er wissen?«, erkundigte ich mich.
»Ich vermute, es hängt mit dem Mord an den beiden Chinesen zusammen.«
»Wer nimmt die Leute so brutal in die Mangel?«, fragte ich.
»Die Misshandelten schweigen«, sagte Marty.
»Aus Angst.«
»Ja klar«, sagte der V-Mann. »Der Erste behauptet, das blaue Auge hat ihm das sechs Monate alte Söhnchen seiner Nachbarin geschlagen. Der Zweite sagt, er hat die Schnapspulle zu hart angesetzt und dabei einen Zahn verloren. Der Dritte ist dummerweise gegen eine offene Schranktür gelaufen. Der Vierte will auf einer Bananenschale ausgerutscht sein und sich dabei den Finger gebrochen haben. Nummer fünf ist angeblich von der Leiter gefallen und hat sich die Schulter ausgerenkt.«
Ich fragte nach den Namen dieser Pechvögel.
Marty nannte sie.
»Und wo wohnen sie?«, wollte ich auch noch wissen.
Das Ohr lieferte die Adressen.
Einer »wohnte« in einer Underdog-Bar. Eine andere Adresse hatte er angeblich nicht. Und weil wir von dieser Bar nicht allzu weit entfernt waren, beschloss ich, mit ihm zuerst zu reden.
***
Die Bar war das Letzte. Hier war der Schmutz zu Hause. Tausende Kaugummis zierten die schwarzen Wände. Ich spürte klebriges Zeug unter meinen Schuhsohlen. Abgewetztes Mobiliar. Zerschlissene Sitzgelegenheiten. Schummrige Beleuchtung. Wackelige Tische. Schmuddelige Gäste, die billigen Fusel tranken. Ungewaschene Außenseiter, deren strenge Ausdünstung man zehn Meter gegen den Wind roch.
Mir war es unbegreiflich, dass man sich in einer solchen Umgebung wohlfühlte. Da wir hier überhaupt nicht hineinpassten, fielen wir auch sofort unangenehm auf. Die herumlungernden Desperados beobachteten uns mit argwöhnischen Blicken. Sie wollten mit uns ebenso wenig zu tun haben wie wir mit ihnen. Ich konnte das verstehen.
Glaubt mir, Freunde, dachte ich, wir wären ganz bestimmt nicht hier, wenn es nicht sein müsste. Unser Job zwingt uns bedauerlicherweise dazu.
»Nichts anfassen, Jerry«, raunte mir Phil zu. »Sonst riskierst du eine Blutvergiftung oder holst dir irgendeine unheilbare Krankheit.«
»Kann es sein, dass ihr euch verirrt habt, Leute?«, fragte der Wirt, der mit Wasser und Seife ebenso auf Kriegsfuß stand wie seine Gäste. Seine hohe Stirn glänzte fettig und mit seinem Mundgeruch konnte er ein Pferd betäuben, deshalb hielt ich sicherheitshalber den Atem an.
»Wieso?«, fragte Phil zurück.
Der Wirt zuckte mit den Achseln. »Ihr seht so fehl am Platz aus.«
»Wir suchen Elmo Gibb«, sagte ich.
Der Wirt nickte. »Aha.«
»Ist er hier?«, fragte ich.
»Ihm fehlt seit kurzem ein Vorderzahn«, fügte mein Partner hinzu.
Ich nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Jemand erhob sich. Ganz langsam. Sehr vorsichtig. Als wollte er nicht bemerkt werden. Als mein Kopf in seine Richtung ruckte, flitzte er davon.
»Gibb!«, rief ich und beschleunigte damit sein Tempo, als hätte ihn meine Stimme gedopt. Er versuchte den Hinterausgang zu erreichen.
Ich folgte ihm. Phil wirbelte auf den Hacken herum und verließ die Underdog-Bar durch die Vordertür.
Ich blieb Elmo Gibb auf den Fersen. Er sorgte dafür, dass es für mich zum Hindernislauf wurde, warf mir zuerst einen Eimer und dann einen Schrubber vor die Beine. Es folgten leere Kunststoffkisten, ein Brett, mehrere Holzstangen und ein Metallregal mit Flaschen drauf. Es klirrte, schepperte und klapperte ununterbrochen, und ich musste fortwährend irgendwelche Hürden nehmen.
Elmo Gibb konnte seinen Vorsprung auf diese Weise geringfügig ausbauen. Er warf mehrere Getränkedosen nach mir. Ich duckte mich und hob die Arme, um mich vor den Geschossen zu schützen.
Der Gang war schmal. Gibb konnte mich kaum verfehlen. Eine Dose traf schmerzhaft meine
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