308 - Ein Planet wird vermisst
das sternglitzernde All. Mit einer kurzen Willensanspannung war er hindurch.
Er war müde, am Ende seiner Kräfte. Die Reise hatte ihm alles abgefordert, ihn bis an seine Grenzen geführt.
Er verharrte und orientierte sich. Dies war ein weit entferntes Ende von Irgendwo, blass und unbedeutend. Und doch das Ziel...
Hunger dominierte sein Verlangen. Nahrung brauchte er, und zwar bald. Und viel.
Konnte dieses Nichts hier überhaupt etwas bieten? Konnte es ihm genügen, oder bezahlte er für das Ziel einen hohen Preis?
Dann sah er die leuchtend blaue Gashülle, wie ein Fanal in dieser Finsternis. Gefangen im ewigen Eis, kaum berührt von einer fernen Sonne. Verheißend, verlockend, all das, was er benötigte.
Voller Gier machte er sich auf den Weg.
***
Juli/August
Der Start der AKINA, von allen Eingeweihten unter großer Nervosität beobachtet, verlief reibungslos. Sie warteten mit der Zündung, bis Phobos, der marsnähere und größere Trabant, sich auf seiner ewig eiligen Reise um seinen Planeten für etwa vier Stunden zwischen Werft und Planet schob, und gaben den Start frei.
Die Besatzung war auf dem Posten, abgesehen von einem Mitglied und den beiden Missionsleitern, die in letzter Minute als Sonderbeauftragte mit Passagierstatus an Bord gekommen waren.
Dexter Wang hatte die Erlaubnis erhalten, den Start in Narkose zu verbringen; danach würde er im Bauch des Schiffes verschwinden, um niemals einen Blick nach draußen werfen zu müssen.
Die übrige Besatzung beobachtete den Flug nur umso begeisterter. Abgesehen von Übungsflügen war keiner von ihnen bisher draußen gewesen. Und schon gar nicht auf dem Weg zur Erde. Für diesen Tag hatten elf von ihnen hart trainiert, schwierige Ausbildungen absolviert und sich bewährt.
Der Jungfernflug der AKINA würde zeigen, was in ihnen steckte, und war ein guter Test, ob sie auch für weiter entfernte Flüge geeignet waren.
Lautlos nahm die AKINA Kurs auf die Erde; die vier Monate Reise würden schnell vorübergehen, da es an Bord viel zu tun gab. Sämtliche Systeme zu überprüfen und zu testen, zu beobachten und zu analysieren.
Vor allem Dexter Wang wurde es nie müde, die Geheimnisse des Schiffes zu ergründen, und er begriff bald, dass sich immer noch mehr auftaten, je tiefer er vordrang...
Das lenkte ihn immerhin davon ab, dass er sich im All befand, und er machte sich mit dem Gedanken vertraut, die Zeit vielleicht doch ohne Raumkoller überstehen zu können.
Ab und zu erstattete die AKINA der Heimat Meldung, erfuhr im Gegenzug aber nicht, was dort los war. Noch nicht. Die Mission durfte durch nichts beeinflusst werden.
ProMars hatte die Medien auf seine Seite gebracht, sobald der Start der »Fähre« bekannt geworden war. Die ganze Wahrheit hatten sie durch die Verschleierungstaktik der Regierung zum Glück nicht herausgefunden, aber das konnte sich schnell ändern.
Die Menschen gingen demonstrierend auf die Straße, verlangten genaue Auskünfte über das Raumfahrtprogramm und forderten statt der Investition in solche Hirngespinste Lösungen für die aktuelle wirtschaftliche Lage und das »Waldproblem«.
Gleichzeitig gingen auch diejenigen jungen Waldleute auf die Straße, die in den Städten studierten, und verlangten Gleichberechtigung und ein Ende der Diskriminierungen, denen sie ausgesetzt waren. Es dauerte nicht lange, bis es zu ersten Ausschreitungen kam, und Sachbeschädigungen waren dabei noch das Wenigste. Der Sicherheitsmagistrat ging sofort dagegen vor, was ProMars wiederum ausnutzte und der Regierung überzogene Härte vorwarf, mit dramatisch aufbereiteten Bildern.
Die Lage fing an, sich hochzuschaukeln, und bald würde sie eskalieren, obwohl niemand so genau wusste, weshalb. Doch die Medien – und themenmäßig waren sich fast alle Sender einig – schürten das Feuer und heizten die Stimmung an. Alle paar Stunden gab es neue Schlagzeilen, und immer mehr Menschen wurden wütend, wie von einem Virus angesteckt.
Sämtliche Berater, einschließlich Chandra, empfahlen der Präsidentin, von öffentlichen Auftritten abzusehen, solange dieser Vulkan brodelte, der jeden Moment unkontrolliert ausbrechen konnte. TV-Auftritte wurden vorgeschlagen, vielleicht noch die eine oder andere Eröffnung einer sozialen Einrichtung, aber dabei sollte es bleiben.
Doch Maya ließ nicht mit sich reden. Es waren in diesen Tagen einige Feierlichkeiten geplant, die zu den großen Traditionen gehörten – die Gründer wurden geehrt, der Opfer des Absturzes des
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