34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
fürchten.“
„Welchen Messerstich?“
„Sie wollten mir doch Ihr Messer in den Leib rennen, wie Sie Ihrem Lieutenant erzählten, als Sie vor anderthalb Stunden von ihm fortritten.“
Der Mund stand ihm offen; er war ganz fassungslos. Dennoch bewegte seine Hand sich langsam nach dem Gürtel, in welchem das Messer steckte. Ich zog den Revolver, zielte auf ihn und gebot:
„Die Hand vom Messer, sonst erhalten Sie augenblicklich die Kugel!“
Sein Gesicht wurde blutleer, und er ließ die Hand vom Gürtel. Der Bruder trat von hinten zu ihm heran und zog ihm das Messer heraus. Er wollte sich dagegen wehren, aber der Bruder sagte ernst:
„Willst du dich an mir vergreifen? Bedenke, was du tust!“
Der Mann wußte jetzt, wie die Sache stand. Er warf einen Blick rundum, sah die Tür frei, da der Frater dieselbe verlassen hatte, und sprang auf dieselbe zu. Ich hatte das vorausgesehen und stand, als er sie erreichte, schon zwischen ihm und ihr.
„Bleiben Sie!“ gebot ich ihm. „Soll ich wirklich auf Sie schießen? Kommen Sie! Schauen Sie da hinab!“
Ich faßte ihn an dem Arm und zog ihn, ohne daß er sich weigerte, an das Fenster. Er blickte hinab.
„Wo ist mein Pferd?“ fragte er.
„Zur Seite geschafft. Sie sehen, daß es Ihnen unmöglich ist, zu entkommen. Draußen und unten stehen die Peons und die Gauchos. Übrigens sind Sie nicht der einzige, der hier einen Empfang findet, auf den er vor anderthalb Stunden nicht eingerichtet war. Sehen Sie einmal weiter!“
Ich schob ihn bis zur Tür des Nebenzimmers; der Haziendero öffnete dieselbe. Der Mann erblickte die beiden fest angebundenen Gefangenen. Er wollte sich fassen, sich beherrschen; aber ich sah seine Lippen beben, und fast stammelnd stöhnte er mir zu:
„Señor, ich schwöre es Ihnen jetzt zu, daß Sie ein Teufel sind, der wirkliche, leibhaftige Teufel!“
„Wenn Sie davon so sehr überzeugt sind, so werden Sie einsehen, daß Widerstand der größte Unsinn wäre. Fügen Sie sich also in Ihre Lage, welche wenigstens nicht die sein wird, die Sie mir bereiten wollten. Wir denken, obgleich Sie mich einen Teufel nennen, weit menschlicher als Sie.“
Er wurde auch gebunden, ohne daß er Gegenwehr versuchte, und die drei saßen nun gefesselt nebeneinander auf ihren Stühlen. Hätten sie versucht, sich mit demselben zu bewegen, so wären sie mit ihnen umgestürzt. Keiner konnte dem andern helfen, eine Flucht war ganz ausgeschlossen. Trotzdem wurde einstweilen ein Peon zu ihnen getan, so daß es von ihnen der reine Wahnsinn gewesen wäre, an das Entkommen zu denken. Nachdem wir aus der Stube gegangen waren und die Tür hinter uns zugemacht hatten, sagte der Estanciero zu mir:
„Jetzt haben wir sie alle drei, und die Ausführung Ihres Vorhabens ist Ihnen gelungen, Señor. Aber die Hauptsache bleibt uns noch zu tun. Ob wir auch sie so gut erledigen, das erscheint mir leider als sehr zweifelhaft.“
„Ich denke anders“, antwortete ich ihm. „Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, wäre ich des Gelingens vollständig sicher, wenn ich allein reiten dürfte. Ein guter Koch kann überzeugt sein, daß ihm die Speise, auf deren Zubereitung er eingeübt ist, vollständig gelingen werde. Sobald man ihm aber andere Köche an die Seite stellt, welche ihm helfen sollen, ist es sehr möglich, daß sie ihm das Gericht verderben. Er wird nur dann den Erwartungen seines Herrn entsprechen können, wenn die andern Köche sich genau nach seinen Anordnungen zu richten haben.“
„Nun gut! Ihr Beispiel ist deutlich genug. Wir reiten mit, werden uns aber ganz nach Ihrem Willen richten. Sie sollen unser Anführer sein.“
„Das verlange ich nicht. Nur dann, wenn wir uns an Ort und Stelle befinden, werde ich Sie bitten, meine Vorschläge zu beachten. Sie haben vor mir die Kenntnis des Landes und der Sitten seiner Bewohner voraus; ich aber möchte die Überzeugung hegen, daß ich in der Ausführung von Aufgaben, wie die unserige ist, mehr Erfahrung und Übung besitze als Sie. Gewalt dürfen wir nur im äußersten Notfall anwenden, denn die List wird uns viel schneller und sicherer zum Ziel führen. Wir müssen wie Diebe handeln, denn wir werden den Bolamännern ihre Gefangenen zu stehlen haben. Dazu ist die äußerste Vorsicht und Verschlagenheit erforderlich, und diese Art und Weise, einen Feind zu übervorteilen, habe ich bei den Indianern des Nordens gelernt. Brechen wir bald auf; sorgen Sie für gute Bewaffnung und für Proviant und Munition! Den Gefangenen hat man
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