38 - Wiedergeborenes Scorpio
Bursche sich geradewegs in dein Schwert stürzte und sich selbst aufspießte. Sonst wäre dein Kopf über den Boden gerollt.«
»Großes Glück.« Sie glaubte also noch immer, daß ich kraftlos war; ich konnte meine kleine Scharade fortsetzen! Na schön, blieb ich also dabei.
Ich hatte mein Schwert an der schwarzen Kleidung der Toten gesäubert. Ich bemerkte, daß Llodi sich zwei seiner Pfeile zurückgeholt hatte; der dritte war zerbrochen. Er setzte den großen lohischen Langbogen ein. Obwohl wir uns auf dem Kontinent Loh befanden, ist das keine dumme, überflüssige Bemerkung, denn die flachen und zusammengesetzten Bögen sind hier ebenso verbreitet wie sonst in Paz. Was Llodis Geschicklichkeit im Umgang mit dem Bogen anging, so konnte ich darüber nur Vermutungen anstellen. Immerhin war er Strangdjim; wäre er als Bogenschütze gut gewesen, hätte er doch wohl entsprechend Verwendung gefunden und wäre nicht als Speerträger herumgelaufen.
Zumindest ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn man ihn überredet hätte, sich bei Mevancy zu verdingen.
Mishuros Villa besaß kühle Arkaden und umfriedete Gärten; es herrschte großer Komfort. Den Herrn versorgte eine kleine Armee von Dienstboten und Sklaven. Dies paßte nicht zu dem Bild, das er während der Karawane abgegeben hatte; damals hatte ihn nur sein Jünger Lunky begleitet. Hier betraten wir nun eine Villa voller Menschen. Mir fiel auf, daß er eine eher kleine Truppe Söldner unter dem Kommando eines dicken schwitzenden Cadades beschäftigte, dessen Hauptaufgabe darin zu bestehen schien, die große Haupttür zu öffnen und zu schließen.
»Natürlich«, antwortete er auf meine Frage, »dächte niemand im Traum daran, mir zu schaden.«
»Undenkbar«, sagte Llodi. »Ich bitte dich, Sucher sind wie die Todalpheme: unantastbar.«
Wir bekamen eine üppige Mahlzeit vorgesetzt, und ich kam zu dem unangenehmen Schluß, daß ich doch einige Fragen stellen mußte, Fragen, die die Zuhörer meiner Geschichte sich bestimmt schon selbst gestellt und wohl auch schon beantwortet haben. Ich kann meine Blindheit nur damit entschuldigen, daß ich noch keine ruhige Minute gefunden hatte, die Situation zu durchdenken.
»Soweit ich die Dinge verstehe«, sagte ich, »sind Sucher etwas sehr Geheimes – und verzeih mir, San, wenn ich sage, daß ich keine Ahnung habe, was ein Sucher ist oder tut.«
»In der Tat«, antwortete Mishuro. Er stützte sich auf den Tisch und schälte mit einem kleinen Messer mit Goldgriff eine Squonch. Der angenehme saftige Duft füllte das kleine Speisezimmer. »In der Tat.« Starr schaute er Mevancy an und richtete dann den Blick auf mich. Letztlich aber betrafen seine Worte Llodi und waren auch für ihn bestimmt. »Ich spüre hier etwas Seltsames. Llodi die Stimme, ich bitte dich, bei mir als Leibwächter in Dienst zu treten. Was meine Geheimnisse angeht: Ja, es gibt sie: Ich werde nicht umsonst Sucher oder Dikaster genannt.«
Mevancy wollte etwas antworten, aber er fuhr fort: »Etwas Böses lauert hier. Etwas Böses, das ich spüre und das mich mit schlimmen Vorahnungen erfüllt.«
»Geht es um Zauberkräfte?« wollte Mevancy wissen.
»Ich ... ich weiß nicht recht ...«
»Ein verdammter Zauberer aus Loh!« sagte ich und fügte hinzu: »Ich meine, Zauberer aus Walfarg.«
»Nein, ich glaube nicht.« Mishuro ließ das Schälmesser einen Augenblick lang ruhen und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Nein. Wenn das der Fall wäre, läge unsere Sache viel schlimmer. Ich habe wirklich das starke Gefühl, daß böse Kräfte am Werk sind. Ich bitte dich, mir zu helfen.«
Ein Scharren war zu hören, dann eine rauhe Stimme, die eher knarrend als heiser klang: »Ich bin hier, Herr.«
»Ja, ja, Lunky, du bist ein braver Bursche. Aber ich glaube, hier und jetzt brauchen wir eine kräftige Hand. Llodi ...«
»Eine starke Hand!« entfuhr es Lunky. »Also, Walfger Drajak ist schwach wie ein Woflo ...!«
»Ja!« sagte Tuong Mishuro, Sucher, und Lunky schwieg verschüchtert.
In der Annahme, daß wir diesen Mann im Auftrag der Herren der Sterne beschützen sollten, nahm ich den Auftrag gern. Ich hätte daran denken müssen, daß Dame Mevancy unsere Schar leitete, bei Vox!
»N-nun ja«, sagte sie gedehnt und schürzte die Lippen. »Wir haben zahlreiche Verpflichtungen.«
Er legte den schweren Buddhakopf schief und schaute unter schweren Brauen zu ihr hinüber. »Ja, das verstehe ich. Ich kann dir die Gastfreundschaft meines Hauses anbieten,
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