46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
blickte ihn ganz unwillkürlich an. Was sagen Sie dazu?“
„Ich meine, daß ein Marschall nicht der richtige Mann sei, ein konfisziertes Plakat zu überbringen; dazu gibt es subalterne Leute genug.“
„Sie haben recht. Er hat sich an mir weiden wollen. Gehen wir in das Haus, lieber Mejia! Ich bin doch ein wenig alteriert und will die Kaiserin sprechen. Ihre Nähe hat stets eine beruhigende Wirkung auf mein Gemüt.“
Sie verließen den Garten und schritten der Villa zu.
Dies war am Vormittag gewesen. Am Nachmittag stand in der Hauptstadt und in ihrem Zimmer, welches der geneigte Leser bereits von früher kennt, Josefa Cortejo vor dem Spiegel. Sie befand sich im tiefsten Negligé, stand aber im Begriff, große Toilette zu machen.
Hierbei war ihr Amaika, die alte Indianerin, behilflich, deren Tochter die Duenna von Amy Lindsay gewesen war und da die Verräterin gespielt hatte.
Josefa hatte ihr Haar aufgelöst. Es war so dünn, daß die Kopfhaut unangenehm weiß hindurchschimmerte. Sie beliebäugelte mit ihren runden Eulenaugen ihr Spiegelbild und fragte die Dienerin:
„Scheint dir nicht, daß ich etwas hager werde, Amaika?“
„O nein, Señorita.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“
„Aber ich denke, daß ich früher voller und üppiger gewesen bin!“
„Keine Spur, Señorita!“
„Sieh diese Arme! Sie waren früher so schön voll und rund!“
„Sie sind es jetzt noch. Und so weiß und glänzend, gerade wie Alabaster.“
„Wirklich?“
„Wirklich!“
Es war dies eine ganz schmähliche Lüge, denn die Arme waren dürr und fleischlos und sahen dunkel aus wie eine Zigeunerhaut.
„Und meine Schultern, Amaika. Sie waren ganz gewiß früher voller!“
„Da irrt Ihr Euch gewaltig, Señorita. Ich habe ein außerordentlich scharfes Auge für solche Schönheiten.“
„Du meinst also, daß ich noch schön bin?“
„Ganz gewiß!“
„Aber doch nicht so schön wie – wie – wie zum Beispiel diese Amy Lindsay, welche mit ihrem Vater so plötzlich verschwunden war?“
„Noch viel schöner. Es gibt überhaupt Personen, welche mit den Jahren immer schöner werden, und zu diesen gehört Ihr, Señorita.“
„Du schmeichelst doch nur!“
„Ganz und gar nicht.“
„Aber sieh einmal her! Mein Hals kommt mir etwas mager vor!“
„O nein. Er ist schlank und schön, ein echter Schwanenhals, wie ihn die Herren so gern haben. Merkt nur auf die Blicke, welche Euch zugeworfen werden, Señorita!“
„Du willst mich vielleicht nur trösten. Hast du früher meine Hüften gesehen?“
„Doch täglich.“
„Sie waren so voll.“
„Sehr voll.“
„So rund.“
„Sehr rund.“
„So üppig.“
„Sehr üppig, Señorita!“
„Sie sind nicht anders geworden, Amaika?“
„Keine Spur. Sie sind noch ebenso verführerisch wie in früherer Zeit.“
„Aber mein Haar geht so sehr aus!“
„Es wächst ja immer wieder nach, Señorita. Ich wollte, ich hätte so schöne Haare wie Ihr. Man kann sie doch kaum bewältigen.“
„So meinst du also wirklich, daß ich nicht verloren habe?“
„Nicht eine Spur, nicht einen Hauch, nicht einen Gedanken!“
„So kleide mich an, aber recht verführerisch, liebe Amaika.“
„Erwartet Ihr Besuch, Señorita?“
„Nein, sondern ich will zum Fotografen gehen. Ich habe wieder zehn Dutzend Bilder bestellt. Er hatte heute zu retuschieren, und da möchte ich doch gern selbst dabei sein.“
„Das werden wieder Geschenke an die Anhänger Eures Vaters?“
„Ja. Meinst du nicht, daß es ein glücklicher Gedanke war, jedem Anhänger meine Fotografie zu geben?“
„O, gewiß! Sogar ein erhabener Gedanke war es. Ich habe einmal etwas gelesen, woran ich da immer denken muß.“
„Was?“
„Es war eine so schöne Liebesgeschichte, daß ich weinen mußte. Sie hatte ihm ihr Bild geschenkt, und er hatte es sich auf das Herz gehängt oder geknüpft oder geschnallt. Und dabei stand, daß es ein ganz sicheres Mittel sei, die Liebe zu gewinnen, wenn man nämlich dem Betreffenden sein Bild schenkt, und er schnallt es auf das Herz.“
„Ah, das hast du gelesen?“
„Ja.“
„Und es ist wahr?“
„Gewiß und wahrhaftig wahr!“
„Mein Gott, was soll dann daraus werden?“
Sie schlug die dürren Hände über dem Kopf zusammen.
„Woraus denn, Señorita?“ fragte die Dienerin.
„Nun, ich habe so viele Bilder verschenkt.“
„Ja, so viele Hunderte!“
„Und wo denkst du, daß man sie tragen wird?“
„Ihr meint wohl auf dem Herzen?“
„Natürlich
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