80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)
Wenn ich Dominik gegenübertrat, wollte ich mich wieder ganz abgebrüht zeigen. Ich hatte keine Lust, ihm zu erklären, wie ich zu dieser Art Tanzen gekommen war und was ich dabei empfand. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon entschieden, dass ich ihn weder an diesem Abend abschleppen wollte noch überhaupt weiter versuchen würde, ihn zu erobern.
Dominik war sichtlich tief beeindruckt von der Vorstellung.
»Das war wunderschön«, sagte er, als uns die Limousine in unsere Hotels zurückbrachte.
»Vor allem gut bezahlt«, erwiderte ich, auch wenn es mir schon lange nicht mehr ums Geld ging. Der üppige Reichtum, der bei solchen Abenden immer zur Schau gestellt wurde, konnte mich längst nicht mehr beeindrucken. Ich empfand keinerlei Neid, ich wollte einfach nur tanzen.
Dominik stellte mir so viele Fragen über Viggos Kunst- und Instrumentensammlung, dass ich schließlich überlegte, ob er nicht den Amateurdetektiv spielte. Vielleicht hatte er inzwischen erfahren, dass Summers wertvolle Geige bei Viggos Wohltätigkeitskonzert in der Brixton Academy abhanden gekommen war. Hatte er etwa Viggo in Verdacht, etwas mit ihrem Verschwinden zu tun zu haben? Doch wahrscheinlich befand er sich eher auf der Jagd nach pikanten Details aus dem Leben realer Personen für seinen nächsten Roman. Er hatte mir beim Essen erzählt, dass er an einer Geschichte über ein Musikinstrument und seine verschiedenen Besitzer schreibe. Eine interessante Idee, für die er auch über das Thema Sammler recherchieren musste. Ich fragte mich allerdings, ob Dominik klar war, dass er selbst eine Art Sammler war. Wanderte er nicht mit einem Schmetterlingsnetz durch die Welt, um Motive und Gefühle einzufangen, die er dann mit einer Nadel feinsäuberlich auf Buchseiten fixierte?
Die Villa am Belsize Park stand leer, als ich zurückkam. Summer war noch auf Tournee. Im Briefkasten lag eine Postkarte aus Berlin, die an Viggo und mich adressiert war und auf der Summer ihre baldige Rückkehr ankündigte. Doch zuvor gehe es nach Skandinavien – Kopenhagen, Oslo und Helsinki – und zum Abschluss noch Sarajewo und Ljubljana. Wenn Summer so weitermachte, würde sie bald eine größere Globetrotterin sein als ich.
Viggo war unterwegs, um als Überraschungsgast bei einem Konzert mit ihr und den Groucho Nights in Stockholm aufzutreten. Ich hatte es ausgeschlagen, ihn zu begleiten. Obwohl noch Finnland dazwischen lag, war mir Schweden zu nahe an Russland. Das war natürlich irrational. Aber wenn ich an Russland dachte, fielen mir St. Petersburg, Donezk und meine Freundin Soscha aus dem Schlafsaal des Wohnheims ein, ihre eingesunkenen Gesichtszüge, ihr mageres Kind und der Garten mit den kahlen Bäumen. Ich hatte keine Lust, je wieder einen Fuß dorthin zu setzen.
Die Zeit verging, und ab und zu hatte ich eine Anwandlung von Einsamkeitsgefühlen, wie sie einen unvermeidlich überfallen, wenn man nichts zu tun hat. Ohne das Tanzen, ohne eine andere Beschäftigung und ohne die Gesellschaft meiner beiden Gespielen fehlte meinem Leben der Halt. Hätte ich mich nicht in die Fantasiewelten der Bücher geflüchtet, die ich in Viggos unerschöpflichen Regalen fand, wäre ich schlicht durchgedreht. An einem besonders öden Tag besuchte ich einen Kochkurs in der Nähe des Oxford Circus und schaffte es, den Kursleiter zur Weißglut zu bringen, weil ich ihm ins Gesicht sagte, er habe viel zu plumpe Finger, um Makronen zu formen.
Als Summer einige Wochen später zurückkehrte, begrüßte ich sie stürmisch, wir waren ja sozusagen frisch verliebt. Aber nach einer kurzen Phase der Leidenschaft wurde sie abweisend und verbrachte nur noch wenig Zeit zu Hause. Dominik erwähnte sie mit keiner Silbe, ich wiederum sah keinen Anlass, ihr zu erzählen, dass ich ihn in der katalanischen Hauptstadt getroffen hatte. Wozu in ihr Erinnerungen wecken, die möglicherweise alte Wunden aufrissen?
Viggo und ich waren immer noch ein Liebespar, aber unsere Gefühle füreinander hatten alles Feuer verloren. Inzwischen war er mehr ein Kumpel und guter Freund für mich geworden. Dennoch bestand immer noch eine große körperliche Anziehung zwischen uns. Jedenfalls wachte ich morgens meist in seinen Armen auf, wohingegen Summer ein Stückchen von uns entfernt allein an der Bettkante lag.
Seit ihrer Rückkehr von der Tournee mit den Groucho Nights wirkte sie ziemlich abwesend und schien keine große Freude an unserer Dreisamkeit mehr zu haben. Dabei war Summer immer der Funke gewesen,
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