9 SCIENCE FICTION-STORIES
fiel dir plötzlich eine andere Zahl ein. Deshalb hast du gezögert. Dann hast du den Gedanken fallengelassen und ›fünfzehn‹ gesagt.«
»Nein, verdammt noch mal. Ich bin fünfzehn.«
»Ich sagte ja nicht, daß du es nicht wärst.« Seine Stimme nahm einen geduldigen Tonfall an. »Und an welche andere Zahl hast du gedacht?«
Ich wurde wieder wütend. »Ich habe an keine andere Zahl gedacht. Warum wollen Sie unbedingt solche Grunzlaute auswerten? Damit sie in das Bild passen, das Sie sich von mir gemacht haben?«
Er schwieg.
»Ich bin fünfzehn«, sagte ich trotzig. Und dann: »Es paßt mir nicht, daß ich noch so jung bin. Sie wissen das. Und ich mag nicht immerfort daran erinnert werden.«
Er wartete einfach und sagte immer noch nichts.
Ich fühlte mich besiegt. »Die Zahl war acht.«
»Du bist also acht. Und dein Name?«
»Gerry.« Ich stützte mich auf einen Ellbogen auf und drehte mich so weit herum, daß ich ihn ansehen konnte. Er hielt seine Pfeife von sich weg und untersuchte das Pfeifenrohr im Licht der Schreibtischlampe. »Gerry, ohne ›äh‹!«
»Schon gut«, sagte er milde, und ich kam mir richtig dumm vor.
Ich legte mich zurück und schloß die Augen.
Acht, dachte ich, acht.
»Bei Ihnen ist es kalt«, beschwerte ich mich.
Acht. Acht, sacht, gelacht, Ohnmacht. Ich bin acht und hab’ sacht gelacht. Doch das war Ohnmacht. Ich ärgerte mich über mich selbst und machte die Augen wieder auf.
Die Decke war immer noch grau. Das war gut. Stern saß mit seiner Pfeife irgendwo hinter mir. Er war in Ordnung. Ich atmete zweimal tief durch. Dreimal. Dann schloß ich die Augen wieder. Acht. Acht Jahre alt. Acht, Ohnmacht. Jahr, Gefahr. Alt, kalt. Verdammt noch mall Ich warf mich unruhig auf der Couch hin und her und versuchte die Kälte auszuschalten. Ich bin acht und hab’ sacht gelacht. Doch das war …
Ich stöhnte und zwang mich mit meiner ganzen Willenskraft, all die Achten und all die Reime und all ihre Bedeutung auszulöschen. Ich deckte eine schwarze Decke darüber. Irgend etwas mußte ich an Stelle des Dunkels setzen, weil es nicht bleiben wollte. So zeichnete ich eine leuchtende, große Acht und ließ sie im Raum hängen. Aber sie kippte um und begann innerhalb der Schleifen zu schimmern. Es war wie eine dieser Aufnahmen, die man durch ein Vergrößerungsglas sieht. Ich mußte hindurchsehen, ob ich wollte oder nicht.
Plötzlich gab ich den Kampf auf und ließ die Wellen über mir zusammenschlagen. Das Vergrößerungsglas kam näher und immer näher, bis ich mich darin sehen konnte.
Acht. Acht Jahre alt, kalt. Kalt wie die Raben im Graben. Der Graben lief neben den Eisenbahnschienen her. Das Unkraut vom letzten Jahr war kratzig und hart wie Stroh. Der Boden war rot, und wo er nicht glitschig und schlammig aussah, bildete er eine hartgefrorene Fläche, die an einen Blumentopf erinnerte. Im Augenblick, war er wieder so hart, mit Rauhreif überzogen und kalt wie die Wintersonne, die sich über die Berge schob. Nachts waren die Lichter warm, aber sie kamen alle aus Häusern, die fremden Leuten gehörten. Und tagsüber schien die Sonne wohl auch für die Fremden, weil sie mich nicht erwärmte.
Ich lag im Graben, weil ich sterben wollte. Die Nacht zuvor war es ein Platz wie jeder andere zum Schlafen gewesen, und heute war es ein Platz wie jeder andere zum Sterben. Ganz genausogut wie jeder andere. Acht Jahre alt. Auf dem Gaumen den zugleich anwidernden und süßen Geschmack von Schweineschmalz und Brot, das ich von einem Abfallhaufen genommen hatte. In mir das Gefühl der Spannung und Angst, das man hat, wenn man einen Abfallsack stiehlt und Schritte hört.
Und ich hörte Schritte.
Ich hatte seitlich zusammengerollt dagelegen. Jetzt legte ich mich auf den Bauch, denn manchmal treten sie einem in den Bauch. Ich bedeckte den Kopf mit den Armen. Mehr konnte ich nicht
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