9 SCIENCE FICTION-STORIES
tun.
Nach einer Weile machte ich die Augen auf und sah mich um, ohne mich dabei zu bewegen. Da stand ein riesiger Schuh. In dem Schuh steckte ein Fuß, und ganz in der Nähe war der andere Schuh. Ich blieb liegen und wartete auf die Tracht Prügel. Sicher, es war mir ziemlich egal, aber als eine verdammte Schande empfand ich es doch jedesmal. Ich fing an zu weinen.
Der Schuh fuhr mir unter die Achselhöhle, aber er stieß mich nicht. Er rollte mich nur herum. Ich war so steif vor Kälte, daß ich mich wie ein Brett umdrehen ließ. Ich preßte einfach die Arme über Gesicht und Kopf und blieb mit geschlossenen Augen liegen. Aus irgendeinem Grund hörte ich zu weinen auf. Ich glaube, man heult nur, wenn man noch eine winzige Chance hat, Hilfe zu erhalten.
Als nichts geschah, machte ich die Augen auf und schob die Arme ein wenig zur Seite, damit ich nach oben sehen konnte. Über mir stand ein Mann, und er war meilenhoch. Er trug einen verschossenen Arbeitsanzug und darüber eine alte Militärjacke, die unter den Armen große Schweißflecken hatte. Sein Gesicht war verwildert wie das von Leuten, die keinen richtigen Bart haben, aber doch immer mit Stoppeln herumlaufen.
Er sagte: »Steh auf!«
Ich sah auf seinen Schuh, aber er stieß nicht nach mir. Ich schob mich ein bißchen nach oben und wäre beinahe wieder zurückgefallen, wenn mich seine große Hand nicht im Rücken gestützt hätte. Einen Augenblick lehnte ich mich dagegen, weil ich nicht anders konnte. Dann richtete ich mich so weit auf, bis ich mich nur noch auf ein Knie stützte.
»Komm«, sagte er, »gehen wir.«
Ich kann beschwören, daß ich spürte, wie meine Knochen vor Kälte klirrten, aber ich schaffte es. Ich hatte beim Aufstehen einen großen weißen Stein mit aufgehoben. Ich wog ihn ab. Ich mußte sehen, ob ich ihn wirklich festhielt, so steif waren meine Finger. »Bleib mir vom Leibe, oder ich schlag’ dir mit diesem Stein die Zähne ein«, sagte ich.
Seine Hand zuckte so schnell nach unten, daß ich gar nicht sah, wohin er den Stein warf, den er mir aus den Fingern wand. Ich begann ihm Schimpfworte entgegenzuschreien, aber er drehte sich einfach um und ging die Böschung zum Schienenstrang hinauf.
Dann sah er über seine Schulter zurück und sagte: »Willst du nicht mitkommen?«
Er jagte mich nicht, deshalb lief ich nicht weg. Er sprach nicht mit mir, deshalb stritt ich nicht mit ihm. Er schlug mich nicht, deshalb wurde ich nicht wütend. Ich ging hinter ihm her. Er wartete auf mich. Er streckte die Hand nach mir aus, und ich spuckte sie an. So ging er weiter, bis zu den Schienen hinauf, bis ich ihn aus den Augen verlor. In meinen Händen und Füßen wurde das Blut wieder lebendig, und das stach, als hätte ich tausend Nadeln in mir. Als ich bis zum Schienenstrang gekommen war, sah ich, daß der Mann stehengeblieben war und auf mich wartete.
Hier war der Weg noch eben, aber als ich der Spur nachsah, bemerkte ich, daß er auf einen Berg zu führen schien, der immer steiler anstieg und vor mir aufragte. Und im nächsten Augenblick lag ich flach auf dem Rücken und starrte in den kalten Himmel hinauf.
Der Mann kam zurück und setzte sich in meine Nähe. Er versuchte nicht, mich anzurühren. Ich rang nach Atem, bis ich erkannte, daß alles gut sein würde, wenn ich nur einen Augenblick schlafen könnte. Nur einen kleinen Augenblick. Ich schloß die Augen.
Der Mann stieß mich mit den Fingern in die Rippen. Es schmerzte.
»Schlaf nicht«, sagte er.
Ich sah ihn an.
Er sagte: »Du bist ganz steif gefroren und vor Hunger schwach. Ich will dich mit nach Hause nehmen und dafür sorgen, daß du ein Bett und etwas Warmes zu essen bekommst. Aber es ist ein schönes Stück Weg bis da oben, und allein schaffst du das nicht. Wenn ich dich trage, wirst du dich dann genauso benehmen, als gingst du allein?«
»Was werden Sie mit mir anstellen, wenn ich bei Ihnen zu Hause bin?«
»Das sagte ich
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