9 SCIENCE FICTION-STORIES
Sie hier in den Wäldern?«
»Ich warte«, sagte er. »Ich bin noch nicht fertig.« Er sah mir in die Augen und brummte verächtlich. »›Fertig‹ nicht in eurem Sinn. Ich will sagen, daß mir noch etwas fehlt, bis alles vollständig ist. Du weißt doch, daß ein Wurm wieder zu einem Wurm wird, auch wenn man ihn auseinanderschneidet? Nun, vergessen wir den Schnitt. Angenommen, er ist gleich so entstanden. Verstehst du? Ich schaffe mir Teile. Ich habe noch nicht alle. Und ich brauche ein Buch über ein Wesen wie mich, wenn ich alle Teile gefunden habe.«
»Ich kenne kein solches Buch. Können Sie mir nichts Genaueres darüber sagen? Vielleicht fände ich dann das Richtige.«
Er zerbrach einen Zweig zwischen seinen riesigen Händen, legte die beiden Bruchstücke nebeneinander und zerbrach auch sie mit einer kräftigen Bewegung.
»Ich weiß nur, daß ich das, was ich tue, tun muß wie ein Vogel, der sein Nest baut. Und ich weiß, daß ich am Ende kein Übermensch sein werde. Mein Körper wird schneller und stärker sein als alles bisher Dagewesene, aber der richtige Kopf wird fehlen. Vielleicht ist das so, weil ich einer der ersten bin. So wie dieser Höhlenmensch, von dem du gelesen hast …«
»Der Neandertaler?«
»Ja. Sieh ihn dir nur an, er war gewiß kein Meisterwerk. Ein früher Versuch. Und bei mir wird es ähnlich sein. Aber vielleicht findet sich noch einmal der rechte Kopf, wenn ich alles organisiert habe. Dann hat die Welt ein neues Meisterwerk.«
Er brummte zufrieden vor sich hin und ging seines Weges.
Ich suchte tagelang, aber ich konnte nicht das finden, wonach er verlangte. In einem Magazin stand, daß der nächste Entwicklungsschritt des Menschen eher psychischer als physischer Art sein würde, aber dieser – dieser Gestalt organismus war nicht erwähnt. Dann fand ich einen Artikel über eine Art von Schleimpilzen, aber ihr Zusammenleben konnte man nicht einmal Symbiose nennen.
In meiner wissenschaftlich nicht durchtrainierten Vorstellung war kein Platz für dieses Ding, das er sich da ausgedacht hatte. Ich mußte immer an eine Kapelle denken, in der jeder ein anderes Instrument spielt und eine andere Melodie, die doch untereinander eine Einheit bilden. Aber das hatte er ja nicht gemeint.
So ging ich an einem kühlen Herbstabend wieder zu ihm, und er nahm das wenige, das er in meinen Augen fand. Dann wandte er sich mit einem häßlichen Wort von mir ab. Ich habe es aus meinem Gedächtnis gestrichen.
»Du kannst es nicht finden«, sagte er. »Komm nicht mehr hierher.«
Er stand auf, ging zu einer alten, sturmzerfetzten Birke hinüber und lehnte sich gegen ihren Stamm. Sein Blick durchbohrte die Schatten. Ich glaube, er hatte mich bereits vergessen, denn als ich ihn so von der Nähe ansprach, zuckte er wie ein aufgescheuchtes Kaninchen zusammen. Er mußte vollkommen in seine seltsamen Gedanken versunken gewesen sein, so daß er mich nicht hatte kommen hören.
»Lone«, sagte ich. »Gib mir nicht die Schuld daran, daß ich nichts gefunden habe.«
Er hatte sich wieder in der Gewalt und sah mich mit diesen brennenden Augen an. »Wer gibt wem die Schuld?«
»Ich habe versagt«, erklärte ich. »Und du bist jetzt wütend auf mich.«
Er sah mich so lange an, daß mir unbehaglich zumute wurde.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte er.
Ich konnte es nicht zulassen, daß er sich wieder von mir abwandte. Und er hätte es getan. Er hätte mich für immer mit dem einen Gedanken allein gelassen: Ich war ihm egal! Es war nicht Grausamkeit oder Gedankenlosigkeit, denn diese Gefühle kenne ich. Er war wie eine Katze, der es gleich ist, ob sie eine Tulpenblüte abbricht oder nicht.
Ich packte ihn an den Oberarmen und schüttelte ihn. Es war, als hätte ich versucht, mein Haus zu schütteln. »Du kannst es wissen!« schrie ich ihm
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