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999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)

Titel: 999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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besuchen kamen. Als sie in den Innenhof traten, sah Elena eine Christusfigur, die ein blutendes Herz in den Händen hielt. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie ließ sich in die offenen Arme der Schwester fallen.

Rom
    Dienstag, 3. April 1487
und die folgenden Tage
     
    Der Mann stand bereits seit ein paar Stunden vor dem Haus. Er bettelte nicht und war auch nicht wie ein Bettler gekleidet. Unter seinem Hut schaute ein dichter schwarzer Bart hervor, und er hielt sich wie ein junger Mann. Er schien auch kein Söldner zu sein, denn er trug kein Schwert, sondern nur einen kurzen Dolch, der in einer Silberscheide steckte. Ein Spion hätte sich besser verkleidet. Mittlerweile lungerte er seit über zwei Stunden vor dem Haus herum, beobachtete die Passanten und schien sich ausschließlich für die Bewohner des Hauses zu interessieren.
    »Kannst du bitte einmal schauen, Leonora?«
    »Wo?«
    Jedes Mal, wenn er ihre Stimme hörte, war es für ihn, als würde eine weitere Kerze im Raum angezündet werden. Und wenn sie lachte, dann war der Raum von dem hell strahlenden Licht eines ganzen Lüsters erfüllt.
    »Hier, komm ans Fenster, aber zeig dich nicht. Betrachte den Mann und sage mir, ob du ihn kennst.«
    Leonora stellte sich auf die Zehenspitzen, spähte vorsichtig aus dem Fenster und schüttelte dann den Kopf.
    »Könnte es ein Verehrer sein? Vielleicht hast du ihn auf der Straße getroffen und ein paar Worte mit ihm gewechselt?«
    »Dein Schwert und meine Magd, die ein Gesicht wie eine Megäre macht, schrecken jeden ab«, sagte Leonora, »sogar denjenigen, der nur etwas fragen will.«
    Ferruccio wollte etwas erwidern, doch sie gebot ihm zu schweigen.
    »Sagt nichts«, sagte Leonora, »ich weiß und verstehe alles. Der Graf hier, der Graf da, die Gefahren auf den Gassen, die Gefahr, erkannt zu werden und so weiter und so weiter. Mein lieber Gefängniswärter, Ihr müsst Euch nicht rechtfertigen. Es ist nur … ich langweile mich ein wenig, und ich kann es kaum erwarten, dass wir von hier fortgehen.«
    »Sobald ich diese eine Angelegenheit geregelt habe, gehen wir nach Florenz.«
    »Dort bin ich nie gewesen. Eigentlich war ich noch nie irgendwo. Aber ich bin sicher, dass es mir dort gefallen wird. Sagt mir, Ferruccio, ist es wahr, dass Ihr oft im Palast der Medici wart?«
    Ferruccio sah, wie der Mann sich hinter einer Magd ins Haus schlich, und gab ihr keine Antwort auf ihre Frage.
    »Warte, Leonora. Dieser Mann fragt schon wieder. Er gefällt mir nicht, jetzt ist Schluss. Ich gehe nachsehen.«
    »Ist es nicht angebracht zu warten, bis er verschwindet?«
    »Vielleicht, aber an diesem Punkt ist es besser, sich dem Teufel zu stellen, als abzuwarten, bis er an der Tür klopft.«
    Ferruccio legte sein Schwert an und versteckte einen kurzen Dolch in seinem linken Ärmel. Zwei Schläge an der Tür ließen beide aufschrecken. Leonora starrte Ferruccio erschrocken an.
    »Ihr habt den Teufel wahrlich herbeigerufen«, flüsterte sie kaum hörbar, »und … nun hat er wirklich an die Tür geklopft.«
    »Ich glaube nicht an den Teufel, aber das muss der Mann sein. Vor dem Haus ist sonst niemand mehr. Geh’ bitte in dein Zimmer und bleibe unbedingt dort.«
    Leonora lief in ihr Zimmer, und Ferruccio stellte sich hinter die Tür. Auf das erneute Klopfen hin riss er schnell die Tür auf, umklammerte den Mann von hinten, hielt ihm seinen Dolch an den Hals und zog ihn ins Innere. Mit einem Tritt schloss er die Tür. Als der Mann versuchte zu lachen, umklammerte Ferruccio ihn nur noch fester.
    »Ich hoffe, unsere Freundschaft ist stärker als Euer Ungestüm«, sagte der Fremde fröhlich.
    »Giovanni!«
    Ferruccio ließ ihn sofort los. Der Mann nahm den Hut ab und lächelte. Ferruccio erkannte ihn kaum wieder mit seinem schwarzen Pagenschnitt und dem Vollbart. Aber seine Stimme war unverkennbar.
    »Empfängt man so seine Freunde? Mit einem Dolch an der Kehle?« Graf Mirandola öffnete die Arme und umarmte Ferruccio.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast.«
    »Aber … du hier … seit wann … und warum? Wir wären zu dir gekommen.«
    Giovanni Pico legte seinen kurzen Umhang ab und warf ihn auf die Holzbank neben der Tür.
    »Ich habe es in Florenz nicht mehr ausgehalten, so weit weg von dir, von Leonora und … Margherita. Und der gute Girolamo …«
    »Du hättest nicht hierherkommen dürfen. Als ich deinen Brief erhielt, hätte ich es mir nie träumen lassen, dass du dich in die Höhle des Löwen trauen würdest.

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