999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
Ach, Giovanni, hier hat sich alles verschlechtert, und du setzt dich einer großen Gefahr aus.«
»Ich bin ein ehrenwerter Stoffhändler und habe mich auch schon an meine neue Profession gewöhnt. Laut diesem Dokument erteilt mir, dem portugiesischen Kaufmann Giovanni Madredeus, der Vogt des Königs von Neapel das Recht, überall im Namen Seiner Majestät, König Ferdinand, Handel zu treiben.«
»Madredeus … wie die Mutter Gottes. Du hast wirklich den richtigen Namen gewählt.«
»Ironie und Lachen gehen mir schon viel zu lange ab. Ich will leben, Ferruccio. Ehrenwert und glücklich. Ist das möglich?«
»Ich muss dir viele Dinge erzählen, die augenblicklich in Rom geschehen. Neben Innozenz gibt es einen zweiten Papst – Kardinal Borgia.«
»Ein guter Feind von mir.«
»Wahrhaftig. Sie haben öffentlich deine Bücher verbrannt … Leonora!«
Giovanni wurde blass.
»Leonora? Was sagst du da?«
»Verzeih. Ich hatte Leonora gesagt, dass sie sich in ihrem Zimmer verstecken und leise sein soll. Ich muss ihr von deiner Ankunft berichten.«
»Ich glaube nicht, dass das noch notwendig ist – außer dieses unterdrückte Lachen stammt von einer hustenden Katze.«
Leonora kam herein und trug ein wunderbares bodenlanges blaues Kleid. Ihre Haare hatte sie unter einer gelben Damasthaube verborgen, die bis auf die Schultern reichte. Die beiden Männer waren sprachlos.
»Leonora«, sagte Giovanni, »du bist … wunderschön.«
Sie machte eine leichte Verbeugung und sah aus den Augenwinkeln Ferruccio an.
»Ja, sie ist wirklich sehr schön. Sie hat dir zu Ehren ein anderes Gewand angelegt, Giovanni. Vorher sah sie aus wie eine Schweizer Bäuerin.«
»Das ist nicht wahr!«, protestierte Leonora. »Wenn ich mit ihm zusammen bin, lohnt es sich einfach nicht, solche Gewänder anzulegen. Danke, Giovanni.«
Sie lief lachend auf ihn zu und umarmte ihn wie einen Bruder. Dann setzten sie sich an den Tisch, lachten und aßen und taten so, als wäre es ihnen nie besser gegangen. Die Männer wetteiferten miteinander, wer Leonora die meisten Komplimente machte, und sie saß strahlend in ihrer Mitte.
»Ferruccio ist viel galanter, wenn Ihr dabei seid«, sagte sie schelmisch zu Giovanni.
»Das ist nicht wahr. Ich mache mir einfach Sorgen, wenn du allein auf den Straßen unterwegs bist, oder wenn ich nicht hier sein kann.«
»Giovanni, musstest Ihr mir wirklich diesen schwarzen Raben auf den Hals schicken, um auf mich achtzugeben?«
»Ich vertraue ihm mehr als jedem anderen auf dieser Welt. Und er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet.«
»Wie oft?«, fragte Leonora mit großen Augen.
»Vielleicht drei Mal«, antwortete Ferruccio für seinen Freund, »aber wenn du weiterhin so unvorsichtig bist, dann bleibt noch genug Zeit, um dir das Leben noch wesentlich öfter zu retten.«
Giovanni lächelte, und seit langer Zeit – nach viel zu langer Zeit – fühlte er sich wieder zuversichtlich.
»Meine Freunde«, sagte der Graf, »ohne euch wären meine Philosophie, mein Wissen und meine Entdeckungen bedeutungslos. Aber ich muss meine Schulden begleichen, deshalb bin ich nach Rom gekommen. Du weißt, was ich meine, Ferruccio. Die erste Schuld habe ich bei einem Freund, der vielleicht meinetwegen die schlimmsten Stunden und Tage seines Lebens erleidet. Die zweite und noch wichtigere ist die meines Herzens – euren Blicken nach zu urteilen, könnt ihr mich verstehen. Die erste Aufgabe könnte ich meinem Freund übertragen, an die zweite kann nur ich denken.«
Leonora war rot geworden, und Ferruccio tat so, als hätte er die zarte Anspielung überhört.
»In Ordnung. Ich weiß, die Stimme des Herzens ist mächtiger als die des Verstandes. Aber lass mich dir helfen«, bot er Giovanni an.
»Ich weiß, dass du die Sache mit Girolamo allein lösen könntest. Aber möglicherweise würde er sich ängstigen, wenn er dich erblickt. Lass uns deshalb gemeinsam handeln. Um Margherita möchte ich mich jedoch allein kümmern.«
»Ich werde dein Schatten sein, so wie sie deine Sonne ist.«
Giovanni lächelte und wandte sich an Leonora. »Deine Anwesenheit hat einen Mann der Waffen in einen Poeten verwandelt. Darauf kannst du stolz sein«, sagte er.
»Ich werde an eurer Seite kämpfen!«, erwiderte Leonora mit Inbrunst.
»Und Ferruccio hat eine holde Maid in eine Kriegerin verwandelt. Ich habe euch zu lange allein gelassen«, sagte Giovanni lächelnd. »Es war wahrhaftig Zeit zurückzukommen.«
Lugano
Mittwoch, 20. Oktober
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