999 - Der letzte Wächter: Roman (German Edition)
es und basta!«
Ohne ihren Kapitän führten die verängstigten Soldaten den Befehl sofort aus, und nachdem die Rotte bekommen hatte, was sie wollte, ritt sie in Richtung Briançon davon.
* * *
Graf Mirandola und die Brüder Centesi ritten durch ein breites Tal. Zu ihrer Linken lag ein imposantes Bergmassiv, an dessen Ende sich die Festung Lautaret befand. Hier ermöglichten ihnen einige Goldmünzen, ihre Pferde in einen robusten Hengst und zwei Jungstuten einzutauschen. Je weiter sie abstiegen, desto häufiger kamen sie an Dörfern mit Poststationen vorbei. Das Gasthaus auf der Straße nach Grenoble mit dem Wappen des Hauses Savoyen, einem weißen Kreuz auf rotem Grund, auf dem Aushängeschild, hätte einen Prinzen beherbergen können, so komfortabel waren die Räume. Sie aßen Wildschweinfleisch mit süßem Brot und tranken alten Wein, so dunkelrot wie Taubenblut. Giovanni meinte, bereits hier die Gerüche und Geschmäcker von Paris wiederzuerkennen, und freute sich auf die Stadt. In dieser Nacht schliefen die drei in einem luxuriösen Gemach, dessen Tür mit drei goldenen Lilien auf azurblauem Stoff bezogen war. Die Gastwirtin schwor, dass Louis de Valois und seine Gattin Charlotte von Savoyen hier genächtigt und Giovanna, das fünfte ihrer acht Kinder, gezeugt hätten.
»Ich hoffe, dass heute Nacht niemanden die Lust von Valois überkommt«, scherzte sie und zwinkerte den Männern zu. »Oder muss ich die ganze Nacht damit verbringen, auf dem Rücken liegend die Holzbalken an der Decke zu zählen?«
Während der Reise war Giovanni immer vertrauter mit ihm geworden, und es machte Dado Spaß, lustige und vulgäre Verse zu erfinden, die ihm mit kindlicher Natürlichkeit entsprangen.
»Graf«, sagte Valdo, »beruhigt ihn, bei Gott. Wenn er sich in dieser Position zum Schlafen legt, dann schnarcht er wie das Wildschwein, das wir gerade verspeist haben.«
Ein paar Stunden nach ihrer Abreise wurde die Wirtin vor einer Horde berittener Soldaten gewarnt, die sich dem Gasthaus näherten. Sie verriegelte alles, trieb die Tiere in den Stall und wartete mit klopfendem Herzen, während die mit Messern bewaffneten Diener und Köche sie zu beruhigen versuchten. Zu ihrer unendlichen Erleichterung ritt die Horde vorbei, ohne anzuhalten.
In Bourgoin mussten Giovanni und die Brüder eine der Stuten umtauschen, die aus Eifersucht dauernd nach dem Hals der anderen schnappte und jedes Mal nach dieser trat, wenn sie nebeneinander her ritten. Während sie warteten, ließ Dado Giovanni einen süßen Kuchen probieren, der aus Mehl, Hefe, Milch, Honig und Eiern bestand.
»Ich weiß nicht, ob ich lieber mit so etwas in meinem Bauch oder mit meinem Schwengel in einer holden Maid sterben möchte! Mit Verlaub, Graf Mirandola«, grinste Dado und biss herzhaft in sein Stück.
Etwas weiter entfernt, in Saint-Laurent de Mure, beobachteten die auf den Feldern arbeitenden Bauern mit Sorgen eine bewaffnete Soldatenhorde, die seit Tagen dort kampierte. Graf Mirandola und die Brüder Centesi trafen ohne Vorwarnung auf sie. Sich umzudrehen und zu fliehen, wäre für die Soldaten jedoch eine Einladung zur Verfolgung – deshalb war ihre einzige Chance, einfach weiterzureiten, als sei nichts geschehen. Das taten sie auch – bis sich ihnen fünf Lanzenträger in einer Reihe in den Weg stellten. Ein Reiter kam auf Giovanni und die Brüder zu. In seiner Linken hielt er eine Lanze, auf der eine kleine Standarte mit dem Wappen der Herzöge von Savoyen wehte. Zwei weitere Soldaten ritten an ihnen vorbei und blockierten sie von hinten. Während Valdo und Dado mit ihrer Nervosität auch die Stuten ganz verrückt machten, blickte Giovanni dem Kapitän fest in die Augen und ritt ihm das letzte Stück entgegen.
»Graf von Mirandola?«, fragte ihn dieser mit einem ausgeprägten französischen Akzent.
Giovanni wurde blass: Sein Name erwischte ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In einem einzigen Moment sah er sein Leben an sich vorbeiziehen: Florenz, Rom, Margherita, die Thesen, die Verurteilung, die Mutter. Paris rückte plötzlich in weite Ferne.
»Graf von Mirandola?«, wiederholte der Kapitän.
»Das bin ich«, sagte Giovanni, denn er wusste, dass es sinnlos war, seine Identität weiter zu verbergen.
»Hättet Ihr die Güte, mir zu folgen? Wir haben die Anweisung, Euch zu seiner Eminenz, Herzog Philipp, zu begleiten.«
»Mit wem habe ich die Ehre?«
»Gérard di Rochefort, Kapitän der Kavallerie von Herzog Philipp von Bresse.«
Der Edelmann
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