Abendruh: Thriller (German Edition)
Frage, so leise ausgesprochen, versetzte ihr einen Stich ins Herz. Es war die spontane Reaktion einer Mutter, als sie sich nun zu ihm aufs Bett setzte und einen Arm um seine erschreckend schmalen Schultern legte. Er saß steif neben ihr, als sei ihre Berührung etwas, was man einfach erdulden musste. Sie ließ ihren Arm trotzdem, wo er war, und so saßen sie schweigend dort auf dem Bett, vereint durch eine Tragödie, die sie beide nicht erklären konnten.
»Lebt der Junge noch?«, fragte Teddy leise.
»Ja.«
»Und das Mädchen?«
»Sie sind beide außer Gefahr. Und du auch, das verspreche ich dir.«
»Nein, das bin ich nicht.« Er sah sie an, sein Blick klar und unverwandt, seine Stimme nüchtern und sachlich. »Ich werde sterben.«
»Sag das nicht, Teddy. Es ist nicht wahr, und …«
Sie verstummte, als das Licht im Zimmer plötzlich erlosch. In der Dunkelheit konnte sie den Jungen geräuschvoll und schnell atmen hören, und sie spürte das Pochen ihres eigenen Herzens.
Aus der Küche rief Nancy Inigo: »Detective Rizzoli? Ich glaube, es ist eine Sicherung durchgebrannt!«
Natürlich, das ist alles , dachte Jane. Eine durchgebrannte Sicherung. So etwas passiert ständig.
Das Geräusch von splitterndem Glas ließ sie aufspringen. Im nächsten Augenblick hatte sie schon ihr Holster aufgeknöpft und die Hand an ihrer Glock.
»Nancy!«, rief sie.
Hektische Schritte kamen die Treppe herauf, und die beiden Mädchen platzten herein, gefolgt von Nancy Inigos schwereren Schritten.
»Es kam von der Straßenseite!«, sagte Nancy, deren Worte vom panischen Gewimmer der Mädchen fast übertönt wurden. »Da bricht jemand ein!«
Und sie saßen hier oben in der Falle. Der einzige Fluchtweg führte durch Teddys Fenster, hinter dem es zwei Stockwerke in die Tiefe ging.
»Wo ist das nächste Telefon?«
»Unten. In meinem Schlafzimmer.«
Und Janes Handy war in ihrer Tasche, die sie in der Küche gelassen hatte.
»Bleiben Sie hier. Schließen Sie die Tür ab«, wies Jane sie an.
»Was haben Sie vor? Detective, lassen Sie uns nicht allein!«
Aber Jane war schon fast aus dem Zimmer. Sie hörte, wie hinter ihr die Tür leise geschlossen wurde, dann das Klicken des Knopfschlosses. Dieses Schloss war so gut wie nutzlos; es würde einen Eindringling nur die paar Sekunden aufhalten, die es brauchte, um die dünne Sperrholztür einzutreten.
Aber zuerst muss er an mir vorbei.
Sie packte ihre Waffe und schlich den dunklen Flur entlang. Wer auch immer das Fenster eingeschlagen hatte, verhielt sich jetzt still. Sie hörte nur ihren eigenen Atem und das Rauschen des Bluts in ihren Ohren. Am Treppenabsatz blieb sie stehen und ging in die Hocke. Weiter würde sie nicht gehen. Nur ein Dummkopf würde versuchen, sich im Dunkeln an einen Mörder anzuschleichen, und ihre oberste Priorität war, Nancy und die Kinder zu beschützen. Nein, sie würde genau hier warten und ihm eine Kugel verpassen, wenn er die Treppe heraufkam. Komm zu Mama, du Mistkerl.
Ihre Augen hatten sich endlich an das Dämmerlicht gewöhnt, und sie konnte gerade eben die Umrisse des Treppengeländers ausmachen, das im Bogen nach unten führte und in der Dunkelheit verschwand. Die einzige Lichtquelle war ein schwacher Schein in einem der Erdgeschossfenster. Wo war er, wo war er? Sie hörte kein Geräusch, nahm keine Bewegung wahr.
Vielleicht ist er gar nicht mehr unten. Vielleicht ist er schon im Obergeschoss und steht direkt hinter mir.
In Panik wirbelte sie herum, doch da lauerte kein Monster in der Dunkelheit.
Sie drehte sich wieder zur Treppe um, just in dem Moment, als das Scheinwerferlicht eines herannahenden Autos durch die Fenster fiel. Sie hörte Türenschlagen, dann Kinderstimmen, polternde Schritte auf der Vortreppe. Die Haustür schwang auf, und sie sah die Silhouette eines Mannes in der Türöffnung.
»Hallo, Nancy? Was ist denn mit dem Licht?«, rief er. »Ich hab die halbe Fußballmannschaft mitgebracht, und sie wollen Plätzchen!«
Schon stürmten die Jungen herein wie eine trampelnde Viehherde, sie lachten und johlten in der Dunkelheit. Jane, die immer noch am oberen Treppenabsatz kauerte, ließ langsam ihre Waffe sinken.
»Mr. Inigo?«, rief sie.
»Hallo? Wer ist da oben?«
»Detective Rizzoli. Haben Sie ein Handy dabei?«
»Ja. Wo ist Nancy?«
»Bitte rufen Sie die Notrufzentrale an. Und schaffen Sie diese Jungen aus dem Haus.«
11
Das Fenster des Arbeitszimmers im Erdgeschoss war eingeschlagen, und auf dem Fußboden funkelten die
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