Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
musste es ja so weit kommen.«
»Wie hat er das gemeint?«
»Er wollte nicht weiter darüber sprechen und hat sich stattdessen nach dem Befinden seiner Mutter erkundigt.«
Als ich die Affäre von Demertsis senior erwähne, blickt sie mich nachdenklich an.
»Glaubst du, dass der Hass auf seinen Vater darauf zurückgeht?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin kein Psychologe, sondern Polizeibeamter. Dazu wollte ich Manias Meinung einholen. Morgen muss ich ins Korydallos-Gefängnis zu Kyriakos’ Vernehmung. Meinst du, es gibt ein Problem, wenn du als seine Strafverteidigerin auch dabei bist?«
»Solange du ihn als Zeugen befragst, nicht.«
Mania betritt, stürmisch wie immer, den Raum, umarmt mich und drückt mir einen Kuss auf beide Wangen.
»Da hatten wir ja auf dem Präsidium häufiger miteinander zu tun als jetzt. Nun, da Sie Ihre Tochter jeden Abend beim Essen sehen, bin ich wohl abgeschrieben.«
»Keineswegs. Die Einladung zu Silvester haben Sie ausgeschlagen.«
»Ich war in Deutschland«, lautet ihre vage Antwort, worauf sie sofort das Thema wechselt. »Es geht um den Mord an Demertsis, stimmt’s?«
»Ja«, erwidert Katerina und fasst die Vorgeschichte zusammen.
»Gut, dann nehmen wir mal an, das könnte der Grund für Kyriakos’ Abneigung gegen seinen Vater sein«, sagt Mania. »Die Sorge, mit der er nach dem Befinden seiner Mutter gefragt hat, deutet ebenfalls in diese Richtung. Aber inwiefern hilft Ihnen das weiter, Herr Kommissar? Aus Katerinas Worten schließe ich, dass es sich weder um einen Racheakt noch um ein Verbrechen aus Leidenschaft handelt. Die Parolen des Studentenaufstands am Polytechnikum verweisen auf etwas anderes.«
»Und worauf?«
»Das weiß ich nicht. Es ist noch zu früh, um das zu erkennen. Ich jedenfalls würde seiner Bemerkung, dass es mit seinem Vater irgendwann so weit kommen musste, mehr Gewicht beimessen. Dort würde ich ansetzen, obwohl sich Kyriakos mit seinen Gefühlen hinter einer Panzertür verschanzt hat. Es wird Sie einige Mühe kosten, die zu knacken.«
»Ich sehe, Sie haben Ihr Handwerk nicht verlernt, seit Sie die Polizei verlassen haben«, necke ich sie.
Belustigt erwidert sie: »Hier wird schon dafür gesorgt, dass ich es nicht verlerne. Die eine Hälfte unserer Klienten und Mandanten hat schon ein volles Strafregister, und die andere ist auf dem besten Weg dahin. Wir setzen alles daran, das Ruder noch mal herumzureißen.«
Schließlich brechen Katerina und ich zum Abendessen auf.
»Wollen Sie nicht mitkommen?«, frage ich Mania.
»Das geht leider nicht, Herr Charitos. Uli ist zu Besuch.«
Sie wirft Katerina einen Blick zu, und beide lächeln verschmitzt. Diskreterweise frage ich nicht nach, wer Uli ist, doch die Kombination aus deutschem Vornamen und Manias Silvesterreise nach Deutschland lässt doch ziemlich klare Schlüsse zu.
»Wer ist denn dieser Uli?«, frage ich Katerina, als wir den kurzen Weg nach Hause fahren.
»Ihr neuer Liebster. Sie hat ihn während ihres Urlaubs auf Astypalea kennengelernt. Genaueres weiß ich auch nicht. Ausgerechnet jetzt«, bemerkt sie vergnügt, »da ganz Europa – mit uns an vorderster Front – mit den Deutschen hadert, verliebt sich Mania in einen Deutschen. Ich bin noch nicht dahintergekommen, ob sie bewusst gegen den Strom schwimmt oder ohne es zu wollen. Wie auch immer, sie ist ein toller Mensch und eine großartige Psychologin.«
Zu Hause treffen wir Adriani und Fanis an, die nebeneinander auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzen.
»Die Regierung ist zurückgetreten, es gibt Neuwahlen«, verkündet Adriani bei unserem Eintreffen.
»Dir ist auch klar, was das bedeutet«, sagt Fanis zu mir. »Die Rede war von einem dreimonatigen Aufschub der Gehaltszahlungen. Plus drei Wochen Wahlkampf plus eine Woche Wahlen. Bis die neue Regierung steht und ein Vertrauensvotum erhält und bis sich die neuen Minister eingearbeitet haben, ist aus den drei Monaten ein halbes Jahr geworden. Und das nur, wenn wir Glück haben. Wenn wir dann noch ein zweites Mal zu den Wahlurnen müssen, sind wir bei mindestens sieben Monaten. Jetzt können wir uns noch jeden Bissen vom Mund absparen, aber in einem halben Jahr haben wir gar nichts mehr im Mund, nicht mal mehr Spucke.«
»Als ich zu euch gesagt habe, wir essen alle aus einem Topf, hat mich meine Tochter für verrückt erklärt.« Damit hat Adriani ihren kleinen Giftpfeil auf Katerina abgeschossen.
»Ach, Mama. Ich bin eben ein rundum verzogenes Wohlstandsgör«, hält ihr Katerina
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