Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
in Spanien auf, und Lefteris, Lepeniotis’ Sohn, war in einem Dorf bei Chalkida.«
»In dem Punkt haben Sie recht. Wir haben dafür gesorgt, dass keiner vor Ort war. Wir hatten uns alle drei von unseren Vätern losgesagt, und ich wollte nicht, dass irgendein Verdacht auf Loukia oder Lefteris fällt.«
»Warum haben Sie das alles getan?«, frage ich.
»Ich war mir sicher, dass sich irgendwann ohnehin jemand an ihnen gerächt hätte – so dreckig, wie es unserem Land jetzt geht. Am ehesten die Ultrarechten. Und dann wären die Mitglieder der Generation Polytechnikum noch einmal zu Helden geworden. Aber sie haben uns schon genug Großtaten verkauft und zu barer Münze gemacht. Sie sollten nicht auch noch aus ihrem Tod Gewinn ziehen.«
Jedes Mal, wenn ich mit Kyriakos Demertsis spreche, imponieren mir seine klugen Argumentationen. Es ärgert mich, dass einer wie er hinter Gefängnismauern versauern soll. Ist sein Vater an allem schuld? Oder sind es die Umstände? Liegt es daran, dass derzeit alter Hass und alte Leidenschaften wieder aufbrechen? Schwer zu sagen…
»Etwas ist mir jedoch noch nicht klar«, sage ich.
»Und was?«
»Der Mörder muss einen Helfer gehabt haben. Der eine hat den Mord begangen, der andere hat auf dem Prepaid-Handy angerufen, während wir den Toten durchsuchten.«
»Nein, das war auch Jannis.«
»Ausgeschlossen! Jannis konnte nach dem Mord unmöglich mit der Pistole in der Tasche am Tatort bleiben, um über das Kartenhandy die Polytechnikum-Parole abzurufen. Jannis hat zwar das Handy nach dem Mord beim Opfer hinterlassen. Doch den Anruf hat jemand anders getätigt, der sich in der Nähe versteckt hielt.«
»Nein, das war auch Jannis«, beharrt er.
»Sie tun so, als hätten Sie mir jetzt alles erzählt, aber das ist nicht die ganze Wahrheit.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, Herr Kommissar.«
»Nein, Kyriakos. Die Taten sind von ihnen allen gemeinsam entworfen worden. Zum einen wollten Sie sich von den Sünden Ihrer Eltern reinwaschen. Deshalb haben Sie mit Nachhilfestunden und Obdachlosenunterstützung denen geholfen, die Sie für die Opfer Ihrer Väter hielten. Zum anderen wollten Sie Ihre Eltern für die Übeltaten bestrafen, die sie Ihrer Meinung nach begangen haben. Es war ein kollektiver Tatplan.«
Er hört mir ungerührt zu.
»Das ist Ihre Theorie«, sagt er. »Doch Sie können sie nicht beweisen. Sie existiert nur in Ihrer Phantasie.«
Ich frage mich, ob ich nicht alle laufenlassen soll. Wäre es nicht besser, wenn diese jungen Leute, die in schweren Zeiten anderen helfen, auf freiem Fuß blieben? Was haben wir davon, wenn wir sie alle ins Gefängnis sperren? Dann bleiben all ihre Schützlinge ohne Beistand zurück. Schweren Herzens raffe ich mich auf, den Polizisten in mir wieder auf den Plan zu rufen.
»Ihnen ist aber schon bewusst, dass alles an Ihnen hängenbleiben wird?«, sage ich. »Jannis ist psychisch krank, wie Sie wissen.«
Ich mache einen kleinen Exkurs und erzähle ihm von meiner Begegnung mit Chalatsis’ Exfrau. Als ich geendet habe, muss er lachen.
»Klearchos?«, meint er. »Jannis trauert immer noch seinem verlorenen Sohn hinterher, während der im Parlament große Reden schwingt. Klearchos soll frischen Wind in die Politik bringen. So hat es seine Mutter beschlossen.«
»Lilian Rouvi wird Jannis für geistesgestört erklären und ihn in eine Anstalt einweisen lassen. Dafür braucht sie nur einen renommierten Psychiater. Denn ein Verrückter bringt im Gegensatz zu einem Mörder seinen Sohn nicht in Misskredit.«
»Das war einer der Gründe, warum ich mit Jannis zusammenarbeiten wollte«, antwortet Kyriakos, besonnen wie immer. »Es ist nur eine Frage der Zeit, dass er endgültig den Verstand verliert und verwirrt durch die Straßen läuft. In einer Anstalt, wo er gut betreut wird, ist er besser aufgehoben. Soll doch die Rouvi einmal in ihrem Leben etwas Gutes tun.«
»Und Sie wollen alles auf sich nehmen?«
»Ich sitze doch schon im Gefängnis. Für mich ändert sich nicht viel. Und Ihre Tochter wird meine Verteidigung übernehmen. Sie ist die Einzige, der ich vertraue.«
Eigentlich müsste ich jetzt stolz sein, aber ich fühle mich bloß niedergeschlagen. Ich frage mich, woher ich die Motivation nehmen soll, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einzuleiten.
»Warum, Kyriakos?«, frage ich, da mir sonst nichts einfällt. »Warum wollen Sie für alles allein bezahlen?«
»Was wäre so schrecklich daran, Herr Kommissar? Anderen ist es noch viel
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