Abschaffel
Eisverkäufer standen hinter der Theke. Aus einer kleinen Tür kam eine blasse junge Frau mit tiefschwarzen Haaren dazu, der sich Abschaffel sofort anvertrauen wollte. Überhaupt gefiel ihm der ganze Eissalon. Aber was hatte er davon, wenn ihm ein Eissalon gefiel? Er leckte an seinem Eis und war für eine Weile bereit, seinen Plan ganz aufzugeben. Es kam ihm vor, als hätte er gar nichts anderes gewollt, als an einem warmen Freitagabend in der Stadt herumzugehen und einen untauglichen Plan aufzugeben. Er leckte gierig das Eis und beobachtete andere Eis leckende Leute. Einige von ihnen machten es wie er und drehten die tütenförmige Waffel, während sie das Eis leckten, gleichmäßig herum, so daß das Eis ebenfalls gleichmäßig weggeleckt wurde. Andere, die Abschaffel beobachtend tadelte, leckten unvernünftig stur an einer Stelle, so daß auf der Waffel ein riskanter Eisaufbau entstand. Weil es ihm so gut geschmeckt hatte, kaufte er sich in einer anderen Eisdiele noch ein Eis. Er beschloß, heute keinen Schritt ohne Eis nach Hause zu tun. Er wünschte sich, immer Eis essen und dabei nach Hause geben zu können. Kaum hatte er es sich gewünscht, schämte er sich bereits. Und weil er sich schämte, fiel ihm wieder sein Plan ein. Er hoffte, morgen früh wieder an ihn zu glauben. Zum drittenmal kaufte er sich ein Eis. Diesmal würde es ihm reichen, bis er zu Hause war. Vor ihm wurde ein junges Mädchen bedient, das auf eine größere Bestellung wartete. Das Mädchen kaufte Eis für die ganze Familie; der Eisverkäufer packte fünf Portionen in Plastikbechern in einen Bogen Papier ein und gab dem Mädchen fünf Plastiklöffel dazu in die Hand. Offenbar gab es Familien, für die das Glück des Freitagabends aus einem Eisbecher bestand. Er verspürte den Wunsch, dem Mädchen zu folgen, bis es zu Hause angekommen war, um dann zu sehen, wie der Vater oder die Mutter das Eispaket öffnete und jedem Familienangehörigen eine Portion aushändigte. Wahrscheinlich saßen dann fünf Personen in einem Wohnzimmer und waren zufrieden. Es war nicht zu glauben.
Am nächsten Morgen war er sorgsam darauf bedacht, nicht in schlechte Stimmung zu verfallen. Er hatte verhältnismäßig lange geschlafen, und als er duschte, hatte er den Einfall, für das Frühstück Brötchen und Marmelade zu kaufen. Er zog sich rasch an und kaufte in einer anderen Bäckerei (in den Laden mit der neuen Inneneinrichtung ging er tatsächlich nicht mehr) drei Brötchen und ein kleines Glas Erdbeermarmelade. Das Glas war sehr klein und reichte nur für ein Frühstück. Er überlegte zwar wieder, ob er sich nicht doch ein großes Glas Marmelade kaufen sollte, aber er kam wieder davon ab, weil ihn halbvoll herumstehende Marmeladegläser ekelten und weil ihn jede Art von Vorratshaltung ratlos machte. Er glaubte dann immer, die Vorräte lebten auf jeden Fall länger als er selbst.
Zu Hause legte er eine Schallplatte auf und ging Brötchen kauend und Musik hörend durch die Wohnung. Es juckte ihn am Rücken, und es fiel ihm ein, was sein Vater tat, wenn es ihn am Rücken juckte. Der Vater stellte sich in den offenen Türrahmen und rieb die juckende Stelle ein paarmal an der Türrahmenkante hin und her. Genau das tat er nun auch, nur ächzte und stöhnte er dabei nicht so laut wie der Vater, sondern kicherte bloß, weil ihm die Nachahmung des Vaters so gut gelungen war. Er schnitt das dritte Brötchen auseinander und schmierte den Rest der Marmelade darauf. Er drehte die Platte um, und dabei geriet eine Menge Mehlstaub darauf. Er setzte sich kauend neben den Plattenspieler, weil er sehen wollte, wie der Saphir in den mehligen Rillen lief. Der Saphir bewältigte die Schwierigkeiten überraschend gut. Abschaffel starrte auf die sich drehende Platte, und dabei fiel ihm wieder ein, daß heute der Tag seines zweiten Versuchs war. Er nahm es sich nicht übel, daß er gestern vorübergehend nicht gut von seinem Plan gedacht hatte. Heute ging er davon aus, es sei der selbstverständliche Verlauf aller Pläne, daß nach einem mißlungenen ersten auf jeden Fall ein zuversichtlicher zweiter Versuch folge. Er wollte nicht auf den Abend warten, sondern schon am späten Nachmittag in die Bahnhofsgegend gehen. Er versprach sich davon mehr Ruhe; erstens würde er selbst gelassener sein, und zweitens würde die Gegend am Nachmittag schläfriger und sanfter sein, und infolgedessen ließen die Mädchen leichter mit sich sprechen. Außerdem wollte er sich nicht wieder auf der Straße
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