Abschaffel
überlegte, ob er in eines der kleineren Bordelle gehen sollte, aber er kam wieder davon ab. Sie hatten meistens keine Halle, sondern, auf mehrere Stockwerke verteilt, kurze Flure, wo die Frauen in den Türrahmen ihrer Zimmer saßen. Das gefiel ihm nicht, weil er den Frauen dann zu nahe war. Es störte ihn auch, gleich in ihre Zimmer sehen zu können. Er wollte ein wenig in einer Halle umhergehen, einigen Frauen ins Gesicht sehen und dann den Blick wieder von ihnen abwenden. So geschah es auch wenig später. In der Halle waren wieder nur drei oder vier Frauen. Er ging um sie herum und sah sie an und sah von ihnen weg. Er sah sie noch einmal an und ging noch einmal um sie herum und blieb vor einer schwarzhaarigen Frau stehen. Komm, sagte er. Sie stieß sich von der Betonsäule ab, gegen die sie gelehnt war, und führte ihn in ihr Zimmer. Sie wollte fünfzig Mark, und er gab ihr das Geld. Wie heißt du? fragte er und begann sich auszuziehen. Rike, sagte sie. Rike? fragte er; ist das eine Abkürzung? Ja, sagte sie. Für Erika? fragte er. Nein, sagte sie, für Ulrike. Rike war jung und schön. Sie war nicht überschminkt, und sie bewegte sich ruhig. Sie gab ihm das Gefühl, als hätte sie viel Zeit. Willst du vorher ein bißchen französisch? fragte sie. Was willst du dafür? Noch einen Fünfziger, sagte sie, du hast dann aber eine halbe Stunde Zeit. Sie saß auf dem Bettrand und bewegte mit der Hand leicht sein Geschlecht. Ich gebe dir den Fünfziger, sagte er, aber ich will nicht französisch. Du kannst ja nachher von hinten kommen, sagte sie, das willst du doch sicher gern. Na gut, sagte er. Siehst du, sagte sie, das hätte sowieso einen Fünfziger mehr gekostet. Sie nahm die Hand weg und wartete auf den zweiten Fünfziger. Abschaffel griff liegend in die Außentasche seines Hemds, das neben dem Bett über einer Stuhllehne hing. Sie erhob sich, verstaute das Geld und setzte sich wieder zu ihm. Bist du öfter geschäftlich in Frankfurt? fragte sie. Ich wohne hier, sagte er. Ach, sagte sie, tatsächlich, das ist aber selten. Was ist selten? fragte er. Daß Männer in die Bordelle der Stadt gehen, in der sie wohnen, sagte sie; normalerweise machen sie das überhaupt nur, wenn sie auswärts sind. Ich würde dich gerne mal zum Essen einladen, sagte er. Sie lachte und antwortete: Das scheitert meistens am Preis; die Stunde kostet zweihundert Mark, und außerdem mach ich es nicht, wenn nicht noch ein zweites Mädchen dabei ist, und die will aber auch zweihundert. Das macht zusammen vierhundert, sagte sie und lachte. Das ist ein Mißverständnis, sagte er; ich möchte wirklich nur mit dir essen gehen und sonst nichts. Ich kann nicht hier heraus, sagte sie, ich wohne hier. Du kannst doch hier heraus, sagte er. Nein, sagte sie. Und am Wochenende? fragte er. Da bin ich überhaupt nicht hier, sagte sie; ich bin jedes Wochenende in Zweibrücken, dort bin ich zu Hause. Hier bin ich nur von Montag bis Donnerstag, zum Geldverdienen, sagte sie. Aber heute ist Sonntag und du bist trotzdem hier, sagte er. Das ist eine Ausnahme, sagte sie. Es ist wirklich nur eine Ausnahme, wiederholte sie, ich kann dir das nicht erklären, mein Leben ist zu kompliziert. Abschaffel überlegte. Die Art, wie Rike redete, gefiel ihm sehr. Es kam hinzu, daß er ihr jedes Wort glaubte. Er hatte das Gefühl, in eine entscheidende Situation geraten zu sein, aber er wußte nicht, wie er daraus endgültig einen Erfolg für sich machen sollte. Er überlegte angestrengt. Rike war zugänglich, daran gab es keinen Zweifel. Ist es denn jetzt gut? fragte sie. Sein Geschlecht war groß und fest, und Abschaffel sah nicht hin. Er tat, als ginge ihn sein Geschlecht nichts an. Es fiel ihm nichts ein. Er wollte auf jeden Fall noch eine Weile in ihrem Zimmer bleiben und noch einmal versuchen, sie zu einer Verabredung zu bewegen. Willst du kommen? fragte sie. Noch nie hatte er sein Geschlecht so sehr als Belästigung empfunden. Irgend etwas hätte er ihr sagen müssen. Sie wartete darauf, schließlich hatte er bezahlt, und er hatte ordentlich bezahlt. Ich bin sowieso gleich soweit, sagte er. Soll ich meine Hand wegnehmen? fragte sie. Nein, laß sie so, sagte er. Sie lachte leicht. Soll ich weitermachen? fragte sie. Jajaja, mach weiter, sagte er. Und da schoß der Samen in das Reservoir des Präservativs und füllte es. Rike stand auf, ging an das Waschbecken und wusch sich die Hände. Er blieb eine halbe Minute liegen. Er war erregt, und er wollte ein wenig warten, bis die
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