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Abschaffel

Titel: Abschaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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auf. Sie konnten sich aber nicht öffnen, weil der Mann in zunehmender Angst die Griffe immer fester hielt, ja, er wurde selbst zornig dabei, weil er nun nichts mehr verstand, und daraus ergab sich eine Folge von Augenblicken, auf die Abschaffel gewartet hatte. Der Mann glaubte vielleicht, die Tür plane einen Angriff auf ihn, und er gab sie nicht frei, obwohl er vielleicht schon lange ahnte, daß er sich und die Tür nur befreien konnte, indem er alles losließ und wegrannte. Es entstand ein aufwendiges Geröhre in der Technik der Tür, in den Scharnieren rückte und zuckte es hin und her, der alte Mann machte kleine Schritte vor und zurück, er ahmte damit die Störung der Technik nach, und die Kunden der Bank blickten aus dem Innenraum auf die Bewegungen an der Tür, und der Mann schämte sich vielleicht. Obwohl Abschaffel wußte, daß wenigstens zur Hälfte die nicht zeitrichtig eingestellte Öffnungsmechanik schuld war, beschimpfte er für sich die Dummheit des alten Mannes. Da freut man sich, dachte Abschaffel, über Türen, die alles allein machen, dann kommen die Alten, kapieren es nicht und pfuschen dazwischen, daß alles kaputtgeht, jawohl; eine Tür, die sonst weiß, was sie zu tun hat, kriegt es einmal gezeigt. Abschaffel erregte sich, bis er nicht mehr wußte, ob die Folgen seiner Empörung noch gespielt oder schon echt waren, und er blieb eine Weile stehen, weil er hoffte, das Mißgeschick würde sich mit anderen Personen wiederholen, aber die drei folgenden Kunden der Bank kannten offenbar die Fehler der Mechanik und verhielten sich entsprechend. Darüber wurde Abschaffel ebenfalls böse. Da gibt es endlich eine Tür, dachte er, die die Verstocktheit und Grausamkeit der Menschen zeigen kann, und schon stellen sie sich in ihrer ganzen Boshaftigkeit auf diese Tür ein und überlisten gar noch ihre Fehler. Erstaunlich war, daß Abschaffel einfach weiterging, nachdem sich nichts mehr ereignete. Er hatte nicht bemerkt, daß er selber schon seit einiger Zeit bemüht war, sich selber aus dem Weg zu gehen. Dies gelang immer eine Weile mit allerlei Beobachtungen und Unterhaltungen aus Beobachtungen, bis der Punkt erreicht war, da ihm schon die Arbeit des Beobachtens und Bemerkens zuviel wurde. Er wollte nicht nach Hause gehen, weil zu Hause nichts, gar nichts, sein würde. Um so angestrengter mußte er darum kämpfen, daß die Ereignisse etwas mit ihm zu tun hatten, und dies gelang ihm jetzt nur noch, indem er über alles nörgelte und schimpfte. Er sah einen Gastarbeiter, einen kleinen dunkelhäutigen Mann, der ein Radiogerät, das in einem Plastikbeutel verpackt war, auf den Armen trug. Das Radio war eingeschaltet, und der Gastarbeiter drehte durch den Plastiküberzug hindurch an den Knöpfen und wechselte die Sender. Abschaffel glaubte, als er den Gastarbeiter sah, daß er sich niemals so verhalten könne, und diese Einschränkung reichte aus, den Gastarbeiter zu beschimpfen. Was die alles können! dachte Abschaffel; was die sich alles herausnehmen hier! Wie geschmacklos die sein können, ohne sich zu schämen! Ich kann nirgends hingehen und so geschmacklos sein! Wie lange die es aushalten, von anderen angesehen zu werden, die nicht mit ihnen einverstanden sind! Keine Minute würde ich so leben können, aber die können es, die schon, diese charakterlosen Lumpen!
    Abschaffel setzte seine Beschimpfungen durch eine Straße und zwei weitere fort, und er war richtig froh, als er in einiger Entfernung das nach unten führende Treppenloch einer Fußgängerunterführung sah. Endlich eine Fußgängerunterführung! Sofort ging er darauf zu. Neben den Treppen befand sich eine Rolltreppe, aber sie rollte nicht, sie war zerstört worden. Die neueste Mode der Gewalt hatte sich die Rolltreppen ausgesucht. Die meisten Rolltreppen in der Stadt waren zur Zeit nicht betriebsfähig. Jahrelang war man daran gewöhnt gewesen, Telefonhäuschen zerstört vorzufinden; die vorderen Armaturen der Telefonapparate waren eingeschlagen in der Nacht, und häufig waren die Glaswände der Häuschen eingeworfen. Nun aber wurden die Telefonhäuschen in Ruhe gelassen, weil sich gezeigt hatte, wie schön die Zerstörung von Rolltreppen war. Unbekannt bleibende Männer hatten herausgefunden, daß die Rolltreppen sofort stehenblieben, wenn man die Gummihandläufe von den Rollschienen herunterriß. Die Männer schnitten außerdem, um zu verhindern, daß die Rolltreppen durch einfaches Aufspannen der Handläufe wieder liefen, die Handläufe an

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