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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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Kerzen aus.
    Claudia war verschnupft. „Jetzt wird ihr kein Wunsch erfüllt!” schmollte sie wie ein Kind.
    „Ihr nicht, aber mir, Schätzchen”, konterte Mark, wackelte mit den Augenbrauen wie Groucho Marx und brachte damit alle zum Lachen.
    Claudia tat nun geschäftig, indem sie den Hilfskellner anwies, rasch die Dessertteller aufzulegen. Mark schnitt inzwischen die Torte an und verteilte danach die Stücke, und während die anderen die leckere Schokoladencreme priesen, neigte er sich ganz nah zu Rowena hinüber und flüsterte: „Ich hatte gleich das Gefühl, dass das keine so tolle Idee war, und habe es ihr auch gesagt, aber sie behauptete felsenfest, du würdest begeistert sein. Da hab ich mich breitschlagen lassen. Ich hatte Recht, stimmt’s?”
    Da sie merkte, dass sie von Claudia beobachtete wurde, nahm Rowena unter dem Tisch seine Hand und nickte, dankbarer denn je für sein intuitives Verständnis.
    „Verzeih mir, Ro”, raunte er. „Aber vielleicht ist es dir ein Trost, wenn ich sage, dass du dich hervorragend hältst.” Er hatte ihre Hand gedrückt, Rowena hatte sich ein Lächeln abgequält, und die Feier hatte ihren Lauf genommen.
    Jetzt tupfte sie sich das Gesicht mit einer Hand voll durchweichter Papiertaschentücher ab. Falls sich einem Trauerfall überhaupt etwas Positives abgewinnen ließ, so ging es ihr durch den Kopf, dann die Tatsache, dass man in der Öffentlichkeit mit seinen Emotionen außerordentlich freizügig umgehen konnte, ohne dafür eine Rüge befürchten zu müssen. Zum Glück, denn es sah so aus, als habe sie die Fassung verloren. Von den Fesseln der Vernunft befreit, offenbarten sich ihre Gefühle ungehemmt und ohne Richtung, gleich einer Meute ungebärdiger Kinder, die außerplanmäßig einen Tag schulfrei bekommen hatten. Rowena fand dies Verhalten äußerst untypisch für sich und mehr als bedenklich. Jahrelang hatte sie die Fähigkeit perfektioniert, ihre Gefühle zu verbergen und nach außen hin eine gelassene Fassade zu präsentieren, egal, wie schwierig die Umstände auch sein mochten.
Langsam und tief durchatmen! Beruhige dich! Du lässt dich hinreißen!
    Die Trauermesse ging dem Ende zu, und Rowena, die allmählich ihre Beherrschung wiedergewann, tröstete sich mit dem Gedanken, dass der Gerichtsmediziner und Officer Kelly letzten Endes tatsächlich nicht wissen konnten, wie fragwürdig Claudias Tod in Wirklichkeit war. Und was macht es schon aus, dachte sie, dass ich Claudias Verlangen nach Einäscherung ihres Leichnams ignoriert habe, da sie doch so häufig und mit Vergnügen viele meiner eigenen Wünsche missachtet hat?
Langsam und tief einatmen! Schluss mit den Tränen!
    Während des Trauerempfangs, der von Ian und dem Vollzeitpersonal des Restaurants im Haus organisiert und beaufsichtigt wurde, bekam Rowena Gesprächsfetzen mit, manche unterdrückt und wütend, andere sarkastisch und selbstironisch. Sie sah die unmissverständlichen Anzeichen von Desillusionierung auf den Gesichtern der Menschen, die erkennen mussten, dass ihre Nähe zu Claudia pure Einbildung gewesen war. Nunmehr erfuhren sie nämlich, dass diese Frau mit Vorliebe anderen ihre auf dem Anrufbeantworter aufgenommenen Nachrichten vorgespielt und dabei wenig schmeichelhafte Bemerkungen gemacht hatte, die zeigen sollten, was für Einfaltspinsel sie doch waren.
    „Es lief immer folgendermaßen ab”, erklärte soeben eine attraktive Blondine einem gebannt lauschenden Quartett. „Da verabredet sie sich mit mir, sagt auf die letzte Minute ab und hält es nicht mal für nötig, auf meine Anrufe zu reagieren! Jedes Mal habe ich ihr noch erbostere Nachrichten hinterlassen und sie schließlich vor die Wahl gestellt, entweder zurückzurufen oder mich ein für alle Mal in Ruhe zu lassenl! Tage später plötzlich ist sie am Telefon, tischt eine durchaus nachvollziehbare Story auf, sie sei völlig zerschlagen und fertig gewesen, und entschuldigt sich. Also lasse ich mich erweichen, wir treffen uns, und das Ganze geht von vorn los! Zu guter Letzt war ich es dann, die ihre Anrufe nicht mehr erwiderte. Und jetzt muss ich feststellen, dass sie überall herumerzählt hat, ich wäre zu nichts zu gebrauchen und ein armes Würstchen, und zum Beweis spielt sie den anderen auch noch Teile von meinen aufgezeichneten Anrufen vor!”
    „Dauernd wollte sie mir weismachen”, erzählte eine andere Frau, „ich sei die Einzige, mit der sie sich wirklich gern traf, und das klang so, als hätte sie sonst überhaupt keine

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