Abschied aus deinem Schatten
aussah. Gedrungen, stämmig und mit beginnender Glatze, erinnerte er Rowena an Bobby Engles, Carys besten Freund, der drei Häuser weiter in der Nachbarschaft gewohnt hatte. Der pausbäckige, ständig in Basketballstiefeln herumlaufende Bobby hatte beim Gehen immer so eigenartig den Fuß vom Absatz nach vorn über die Sohle abgerollt und ein sonniges Gemüt gehabt.
„Tag, Rowena! Mein Name ist Len Rothbart, ich bin Ihr Neurochirurg. Schön, dass Sie endlich aufgewacht sind. Wie fühlen Sie sich?”
„Kopf tut weh.”
„Kann ich mir vorstellen. Sie haben sich gewaltig den Schädel angeschlagen und eine mordsmäßige Gehirnerschütterung davongetragen, zum Glück allerdings sonst nicht allzu viel abbekommen, von ein paar Schrammen und blauen Flecken mal abgesehen. Der Kopf wird Ihnen mächtig brummen, und es wird Ihnen die nächsten Wochen hundeelend sein, bis die subdurale Schwellung vollständig abgeklungen ist und die Risswunden und Quetschungen ausheilen. Bisschen Übelkeit und Schwindel, das wird wohl auch auf Sie zukommen, also bleiben Sie mindestens noch eine Woche unter Beobachtung, vielleicht auch länger.”
„Noch eine ganze Woche?”
„Mindestens!” wiederholte er, wobei er ihr mit einem kleinen Licht in die Augen leuchtete und danach ihre Ohren mit einem Ohrspiegel untersuchte. „Sie lagen schließlich gute acht Tage im Koma.”
„Acht Tage?”
„Jawohl! Wir machten uns schon langsam Sorgen. Wie viele Finger sehen Sie?”
„Drei?”
„Wie bitte?”
„Zwei.”
„Gut.”
Er hob das Fußende der Bettdecke an und fuhr Rowena mit einem kitzelnden Gegenstand über beide Fußsohlen. „Gut”, konstatierte er nochmals.
„Wieso denn Sorgen?” wollte sie wissen.
Er trat zu ihr neben das Bett. „Zweimal sackten Atmung und Puls bei Ihnen völlig weg; es sah beinahe so aus, als würden Sie uns unter den Händen wegsterben. Um den intrakraniellen Druck im Schädel zu vermindern, zogen wir schon eine Operation in Betracht, was ich nur ungern gemacht hätte, ehrlich gesagt. Nach meinem Gefühl war eine Behandlung ohne Eingriff sicherer. Gott sei Dank kamen Sie beide Male über die Krise hinweg, und dass Sie jetzt wach sind, beweist die Richtigkeit meines Vorgehens. Wie gesagt, die nächsten ein, zwei Wochen werden nicht einfach sein für Sie. Nach dröhnender Rockmusik oder nach Tanzen wird Ihnen der Sinn keinesfalls stehen!” Er grinste. „Aber bald werden Sie sich wie neugeboren fühlen. Die interessante Narbe oben auf der Schädeldecke, die bleibt dann Ihr Geheimnis. Das teilen Sie sich nur mit Ihrer Friseurin.” Nachdem er einiges auf der Krankenakte vermerkt hatte, sagte er: „Noch Fragen?”
„Narbe?”
„Bei der Frage, was denn wohl härter ist, Ihr Schädel oder die Innenverkleidung an der Tür von Ihrem Wagen, ging die Tür als Siegerin hervor.”
Rowena musste lachen, zuckte aber sofort zusammen, so plötzlich und überwältigend setzte der Schmerz ein.
„Entschuldigen Sie.” Wie die Schwester zuvor, tätschelte der Arzt Rowena den Arm. „Die Wunde wurde mit neunzehn Stichen genäht. Morgen oder übermorgen ziehen wir die Fäden. Und ich sag es Ihnen besser gleich: Wie das blühende Leben sehen Sie nicht gerade aus, also würde ich an Ihrer Stelle der Versuchung widerstehen, in den Spiegel zu schauen. Die Schwester gibt Ihnen gleich etwas gegen die Schmerzen”, fügte er mit mitfühlender Miene hinzu. „Sie werden auch ein immenses Schlafbedürfnis haben. Das ist ganz natürlich nach dem Schädeltrauma, also, deswegen brauchen Sie keine Angst zu haben. Alles klar?”
Mit Mühe und Not brachte sie ein Kopfnicken zu Stande.
„Schön, dass Sie wieder bei uns sind, Rowena!” Er lächelte, klopfte ihr nochmals auf den Arm, hakte das Krankenblatt wieder am Fußende des Bettes ein und verließ dann das Zimmer.
Einige Minuten, nachdem man ihr die Schmerzmittel verabreicht hatte, erschien Mark im Türrahmen. Als er sah, dass sie wach war, glitt ein breites Lächeln über sein Gesicht. Er zog sich einen der Besucherstühle heran, setzte sich ganz nah ans Bett und nahm Rowenas Hand, wobei er seine Finger mit den ihren verschränkte. „Hallo, mein Schatz. Wie geht’s?”
„Nicht besonders.”
„Hat man dir was gegen die Schmerzen gegeben?”
„Muss erst wirken.”
„Kannst du dich an den Crash erinnern?”
„Welchen meinst du? Meinen oder den an der Wallstreet, 1929?”
Er lachte auf. „Na, dann kann’s ja nicht so schlimm sein! Und? Erinnerst du
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