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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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gegorener Nashornmilch und monatelang im Fass gelagert. Vor dem Servieren käme ein ordentlicher Schuss Alkohol dazu, um die unbekömmlichen Stoffe abzutöten, die sich bei der Lagerung gebildet hätten.
    Er sah zu, wie Rialus einen Löffel von dem Sud an die Lippen führte, und bemerkte ungerührt: »Vielleicht ist Euer Magen ja ebenso schwach wie alles andere an Euch.«
    Die Frau zu Rialus’ Linken sagte: »Es gibt nur ein einziges Teil an ihm, das ein bisschen Härte zeigt.«
    »Es gibt noch vieles, was Ihr über mein Volk lernen müsst«, sagte Calrach. »In ein paar Jahren werdet Ihr selbst ein Numrek sein. Und Ihr werdet stolz darauf sein.« Er brach in schallendes Gelächter aus, dann wechselte er das Thema. »Sagt, Rialus, glaubt Ihr, dass Hanish Mein uns respektiert? Uns Numrek, meine ich. Uns Auserwählte. Beleidigt er uns?«
    »Ich verstehe nicht, was Ihr meint«, erwiderte Rialus.
    »Beleidigt er uns?«
    Calrach hatte die Angewohnheit, seine Sätze zu wiederholen, als wollte er damit demonstrieren, dass alle möglichen Antworten, Bedeutungen und Deutungen bereits in den Worten enthalten seien und dass Rialus dies hätte erkennen können, wenn er nur genauer hingehört hätte.
    »Fühlt Ihr Euch denn beleidigt?«
    Calrach zuckte mit den Schultern und kratzte sich so heftig an der Wange, dass sich ein paar Hautfetzen lösten. »Das will ich so nicht sagen. Aber irgendwas stinkt. Mein Großvater hat von diesem Gestank gesprochen. Er kam von den Lothan, bevor sie uns angegriffen und uns aus ihrer Welt vertrieben haben. Davor hatten wir für sie gekämpft. Das wusstet Ihr doch, oder? Wir waren viele Generationen lang Verbündete, aber dann haben sie uns übel mitgespielt. Wenn ich noch einen Wunsch habe, Rialus, dann den, eines Tages nach Anderland zurückzukehren und den Lothan einen ganz neuen Geruch unter die Nase zu reiben. Ihr versteht, was ich meine.«
    Rialus konnte es nicht ausstehen, wenn Calrach so redete. Das tat er häufig, zumal dann, wenn Rialus ihn überhaupt nicht verstand. Allerdings hatte es auch keinen Sinn nachzufragen. Calrachs weitschweifige Art musste man einfach hinnehmen. Früher oder später würde er auf den Kern zu sprechen kommen, wenn ihm etwas daran lag.
    Trommeln kündigten den Hauptgang an. Heute sollte es ein Gericht geben, das Rialus noch nie probiert hatte, und das war für ihn stets ein Anlass zur Sorge. Plötzlich hoben Bedienstete, die an den Ecken Aufstellung genommen hatten, den ganzen Tisch über Rialus’ Kopf hinweg, sodass er einen Moment lang im Schatten saß. Die junge Frau zu seiner Rechten fasste ihn beim Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr, Ausdruck ihrer Vorfreude. Dann wurde ein anderer gedeckter Tisch zwischen die Speisenden gestellt.
    Vor ihm stand eine Delikatesse, welche die Numrek Tilvhecki nannten. Das Gericht war etwa so groß wie ein ausgewachsenes Schwein und sah aus wie ein aufgequollener, durchscheinender Hautsack, in dem unterschiedlich gefärbte geblähte Innereien zu erkennen waren. Calrach ließ sich über die bevorstehenden Gaumenfreuden aus und erklärte, das Aussehen trüge nicht. Tilvhecki war die Bezeichnung für Lamm. Während ihrer Verbannung in den Eisfeldern hatten die Numrek keine Schafe halten können und dieses Gericht daher entbehren müssen. Wie üblich war es einem Prozess der Gärung und Fäulnis unterzogen worden.
    Nach dem Schlachten ließ man das Fleisch und die inneren Organe eines jungen Lamms mehrere Tage lang an der Luft liegen. Das Fleisch wurde vorher nicht gekocht, jedoch mit gewürzten Blutsoßen und Wein übergossen. Wenn es von Maden wimmelte, wurde es in den Hautsack gesteckt, der anschließend zugenäht und der Gärung überlassen wurde. Am Ende wurde alles gegart und heiß aufgetragen.
    Calrach schnitt den Hautsack höchstpersönlich an. Schon bei der ersten Berührung des Messers platzte er auf. Beim Anblick des weichen, verfärbten Fleischs, das aus dem Schlitz quoll, drehte sich Rialus der Magen um. Der Gestank, der ihm entgegenschlug, traf ihn mit solcher Wucht, als wäre er kopfüber in eine Latrine gestürzt. Rialus hätte sich auf der Stelle übergeben, hätte er nicht inzwischen die Fertigkeit vervollkommnet, durch den Mund zu atmen. Er umging seine Nase und ließ in kurzen, flachen Atemzügen Luft über seine Zunge spielen.
    Calrachs Gesichtsmuskeln zuckten. Er bleckte seine schiefen Zähne, vielleicht ein Grinsen. »Sagt, Rialus, findet Ihr uns abstoßend?«
    Rialus, der wusste, was von ihm erwartet

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