Acornas Heimkehr
– sondern dass sie auch Acornas Erinnerungen teilte, die ihre Schilderungen begleiteten. Dass sie mitfühlte, was Acorna fühlte, wenn sie sich in die Vergangenheit zurückversetzte, wenn sie abermals das empfand, was sie damals gefühlt hatte, als sie jene Ereignisse durchlebt hatte, die ihr Gedächtnis nun wiedergab. Bei Großmama Naadiina brauchte sich Acorna nicht den Kopf zu zerbrechen, was von ihrer Unterhaltung sie in Gedanken und was sie in Worten ausdrückte. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass Großmama alles verstand, was sie ihr zu übermitteln versuchte, egal, auf welche Art Acorna nun mit ihr kommunizierte. Und dass es gerade diese Bereitschaft und diese Fähigkeit von Großmama war, vorurteilslos auf ihren Gast einzugehen und ihn wirklich zu verstehen, die Acorna aus sich herausgehen ließ. Auf gewisse Weise war es auch mit Neeva und den anderen schon so gewesen. Doch diese hatten letztlich doch immer auch ihre Vorbehalte gehabt, ihre Ansichten darüber, was linyarii war und was nicht, die einem tiefer gehenden Verstehen im Weg standen.
Großmama lächelte Acorna in der kurzen Pause an, die das Mädchen nach Naadiinas Bitte machte, bevor sie nickte und sagte: »Ich sehe schon, du hast mir erst mal genug erzählt. Es war mir ein wirkliches Vergnügen, deinen Geschichten zuzuhören. Sie sind so anders als alles, was man auf diesem Planeten hier sonst von unseren Leuten zu hören bekommt.
Hab niemals Furcht, meine Enkelin, dass du unwürdig sein könntest. Unser Volk kennt und versteht dich zwar noch nicht richtig, aber das wird es schon noch lernen.«
Acorna holte tief Luft und straffte sich. »Nicht, wenn ich nicht auch meinerseits den Versuch mache, sie besser kennen zu lernen, Großmama. Bei der Krise im Weltraum kann ich augenscheinlich nicht behilflich sein. Aber vielleicht kann ich ja wenigstens denen Trost anbieten, die hier auf dem Planeten zurückbleiben mussten. Die Geschenke haben mir eine Möglichkeit dazu eröffnet. Zuerst muss ich versuchen herauszufinden, wer welches Bündel geschickt hat, und den Absendern danken und ihnen einen Besuch abstatten und dabei vor allem darauf achten, nicht mehr die Zähne zu fletschen.«
Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, die Lippen jedoch hielt sie mit voller Absicht fest geschlossen. »Ich muss auch mit den Leuten reden, die die Gewänder entworfen haben, die sie mir so freundlich geschickt haben – und für die beiden bezahlen, die ich umgeändert habe.«
»Das ist nicht nötig, weißt du. Auf Neevas Anweisungen hin wurden alle Kosten schon aus ihrem Konto bestritten.«
»Trotzdem fürchte ich, dass ich diese Leute gekränkt habe.
Und nachdem ich gesehen habe, wie alle anderen gestern Abend gekleidet waren, verstehe ich die Absichten der Modegestalter jetzt besser. Das würde ich ihnen gerne auch sagen.«
»Das wäre ausgenommen reizend, Schätzchen. Allerdings sind sie wahrhaftig reichlich albern, diese Modetollheiten.«
Wenn sie aufrichtig bleiben wollte, konnte Acorna diesem Einwurf zwar nicht widersprechen, trotzdem fuhr sie fort:
»Wie dem auch sei, man hat mir gesagt, es bestünde die Möglichkeit, dass ich eines Tages als Botschafterin der Linyaari nach Kezdet und Maganos und zu meinen Menschenfreunden zurückkehren könnte. Was diplomatisches Geschick angeht, scheine ich bis jetzt aber noch keinen guten Start hingelegt zu haben. Da ich noch nicht so genau weiß, was es eigentlich heißt, eine Liinyar zu sein, sollte ich deshalb vielleicht anfangen, mich damit vertraut zu machen.
Währenddessen kann ich mich ja gleichzeitig als Botschafterin üben, indem ich versuche, die Kultur, aus der ich komme, auf eine positivere Art und Weise zu vertreten, als ich das allem Anschein nach bislang getan habe.«
»Bravo!«, begeisterte sich Großmama Naadiina. »Das ist eine großartige Einstellung, mit der du da ans Werk gehen willst, das muss ich schon sagen. Und vielleicht wirst du mit deiner reichen praktischen Kenntnis anderer Welten auch im Stande sein, einige der Ängste zu beschwichtigen, die viele Leute um ihre im All weilenden Lieben hegen.«
Acorna war schon so sehr damit beschäftigt, ihren weiteren Tagesablauf zu planen, dass sie Großmamas Anerkennung nur mit einem schlichten Kopfnicken quittierte. »Außerdem würde ich gerne einige dieser Technokünstler kennen lernen, von denen Maati mir erzählt hat. Die Leute, die eure technischen Importgüter den Erfordernissen der Linyaari entsprechend umrüsten und
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