Acornas Heimkehr
kann das sein, oh meine Geliebte, deren Antlitz herrlicher ist als das einer aufblühenden weißen Rose, deren Augen heller leuchten als die funkelnden Sterne, deren…«
Sie würgte seinen Wortschwall ab, indem sie das Gesicht in ihren mit Ringen überladenen Händen vergrub. »Ich fürchte, dass ich mich von der Plötzlichkeit unserer Leidenschaft dazu habe hinreißen lassen, von meiner ganz persönlichen spirituellen Lebensreise abgelenkt zu werden. Ich war so überwältigt von der jungfräulichen Erfahrung unserer Liebe, dass ich blind wurde für das, was ich doch als meine wahre Bestimmung erkannt hatte, als meine größte spirituelle Aufgabe – Acorna und ihrem Volk zu helfen und sie darin zu unterrichten, ihre Energien zu kanalisieren und ihre Gaben auf eine geziemende« – und profitable, denn Karina hielt Reichtum für sehr geziemend – »Art und Weise einzusetzen.«
»Aber, meine kleine Oase der fleischlichen Geselligkeit, Acorna ist doch gerade deswegen zu ihrem Volk gereist, um dessen Wesensart zu erlernen, und wird sicherlich bald zu uns zurückkehren. Da brauchst du dich doch gewiss nicht zu grämen?«
Sie seufzte tief. Sie saßen neben dem Springbrunnen im Innenhof ihres Anwesens, wo sie gerade ein traumhaftes Mahl zu sich genommen hatten. Schon beim dritten Gang hatte sie fast keinen Appetit mehr gehabt, nur noch ein paar Bissen gekostet und beim Dessert sogar das Sorbet kaum angerührt.
Dennoch schob sie sich noch eines dieser kleinen Trüffelschokoladeneier in den Mund. Hafiz hatte schließlich Recht. Sie musste bei Kräften bleiben. »Oh, Hafiz, du mein weiser und listenreicher Krieger in der Welt der Reichen, du bist ein so edelmütiger Kamerad, so bewandert in der Kunst des Handels und des Kampfes um den Markt, dass du in den herrlichen Linyaari im Geiste deiner Großherzigkeit ohne Zweifel dir artverwandte Wesen gesehen und sie für ebenso welterfahren gehalten hast, wie sie erhaben sind.
Ich aber, die ich mich mit ihnen sowohl auf eine tiefere Weise als auch auf einer höheren Ebene ausgetauscht habe als jeder andere aus unserer eigenen Spezies, kann mich sehr gut an ihre kindliche Unschuld erinnern und daher die Notwendigkeit erkennen, sie zu erleuchten und sie darin zu unterrichten, wie auch sie auf dem großen spirituellen Pfad wandeln können, den zu bereisen mir so viele lange Jahre vergönnt war. Denn ihre unglaublichen heilenden und reinigenden Kräfte bedürfen eines wahrlich strengen Haushaltens, damit sie sich nicht dadurch verausgaben, dass sie all diese wertvollen Wunder unentgeltlich verrichten.
Mir war es eigentlich bestimmt, in eben dieser Hinsicht Acornas Mentorin zu sein. Aber nun ist unsere liebliche Dame aus dem Licht fort, hat ihre Leute zu dieser fernen Heimatwelt ihres Volkes begleitet, einem so abgelegenen Ort, dass niemand ihn zu finden vermag, einem Ort, an dem unsere geliebte Acorna und all ihr Potenzial verloren ist – ganz zu schweigen vom Potenzial eines ganzen Planeten voller Wesen, die alle über die gleichen Kräfte verfügen wie sie! –, verloren für mich wie auch für alle anderen, die sie lieben.«
Hafiz kratzte sich das bärtige Kinn und grübelte über die Worte seiner Frau nach, Worte, die viele Ebenen der Weisheit enthielten, wie er mittlerweile zu schätzen gelernt hatte.
Dann zuckte er die Achseln, als wäre das Ganze nur eine Bagatelle. »Acorna hat gesagt, sie würde zurückkehren, und ihre Artgenossen waren der Überzeugung, dass man sie unter ihresgleichen mit Ehren und hohem Rang auszeichnen und dass man sie uns als diplomatische Gesandte zurückschicken würde. Ich bin deshalb überzeugt, dass sie mitsamt ihren Freunden schon bald wieder bei uns sein wird, oh mein Butterherz. Und diese Heimat, wo ihr Volk lebt, liegt doch nur im Weltraum, meine Allerliebste, nicht in jenem Reich, in dem unser geschätzter Freund und Kollege Li nun residiert. Wenn demzufolge Acornas Artgenossen im Stande sind, die Raumposition ihrer Welt im All zu bestimmen, dann können die besten Techniker und Navigatoren in meinen Diensten dies allemal – die wohlgemerkt zudem die Allerbesten ihrer Zunft bei uns Menschen überhaupt sind. Dieser Planet könnte im Bedarfsfalle also jederzeit aufgesucht werden. Insbesondere von einem Freund.«
»Freund? Himmel, du bist doch nicht nur ihr Freund, sondern praktisch die einzige Familie, die sie hat! Abgesehen von deinem Neffen und seinen Kameraden hatte sie doch sonst nur noch Herrn Li. Und obgleich ich zwar weiterhin
Weitere Kostenlose Bücher