Acornas Heimkehr
Farbtöne genommen, die sich aus den ererbten Körperfarben der eigenen Sippe und Rasse ableiten; diese Art von Auswahlkritierien kommen schon vor. Aber was das Geblüt einer Person angeht, sind wir Linyaari ohnehin schon seit Generationen ziemlich aufgeschlossen. Man kann daher im Grunde alles sein, was einem gefällt. Ich selbst zum Beispiel trage auch nicht gerade meine ursprünglichen Naturfarben.«
Sie warf den Kopf zurück, sodass die Stirnhaarfransen über ihrem goldenen Horn einen kecken Luftsprung machten. »Ich nenne diese Aufmachung Aurales Fuchsrot. Niemand von uns wurde jemals mit einem derartigen Aussehen geboren, aber –
na und? Darin besteht ja gerade meine Kunst, dass ich die Natur zu übertreffen vermag. Also, Kindchen, wie steht’s mit Ihnen? Was soll es werden?«
Acorna hatte ihre ein ums andere Mal vergeblichen Anstrengungen, sich brav und unaufdringlich einzufügen, mittlerweile gründlich satt. »Streifen«, forderte sie daher.
»Zebrastreifen.«
»Zebra?«
Acorna übermittelte ihrer Gesprächspartnerin telepathisch ein Gedankenbild des Tieres, von dem sie einmal Vids gesehen hatte, als sie noch ein Kind auf dem Schürferraumschiff ihrer Adoptivonkel gewesen war. Die Koloristin kicherte belustigt und machte sich an die Arbeit.
»Damit werden Sie bestimmt Aufsehen erregen«, stellte sie fest. »Aber ich muss zugeben, es ist eine recht reizvolle Aufmachung.«
»Ich scheine ohnehin immer Aufsehen zu erregen, ob ich das nun will oder nicht«, rechtfertigte Acorna sich.
Eigentlich hatte sie ihrer Umwelt mit ihrem neuen, bewusst auffällig gewählten Äußeren mehr oder minder unverblümt zeigen wollen, was sie davon hielt, dass ihre Artgenossen sie die ganze Zeit über schnitten. Doch ihre ungewöhnliche Erscheinung hatte letztlich die genau gegenteilige Wirkung, zumindest bei einigen der jüngeren Linyaari. Man machte ihr Komplimente wegen der Streifen, erkundigte sich nach dem Sinn und Vorbild dieser Körperkolorierung und lud sie schließlich sogar zu einem Ringwurf-Turnier ein.
Den Jungen und Mädchen zuzuschauen, wie sie mit ihren Stirnhörnern kleine Blumenkränze auffingen und sie einander mit schwungvollen Kopfbewegungen wieder zuwarfen, stets darauf bedacht, sie nicht der gegnerischen Mannschaft in die Hände fallen zu lassen, gab Acorna das unbeschwerte Gefühl, ungewohnt jung und albern zu sein. Ein Gefühl, das so lange anhielt, bis ein lauter Donnerschlag einen strömenden Gewitterregen mit roten und grünen Blitzen ankündigte, die den Himmel über ihnen wie Speere spalteten, so wie ein Erdbeben den Boden unter ihnen aufreißen mochte.
Urplötzlich prasselten wahre Sturzfluten auf die Turnierteilnehmer und Zuschauer hernieder, wuschen ihre farbenprächtigen Körperbemalungen ab und spülten sie ins Gras, drückten die Blumenringe in den rasch zu glitschigem Schlamm aufgeweichten Untergrund und machten jeden Schritt zu einer regelrechten Schlitterpartie, sodass viele Leute bei ihrer hastigen Suche nach einem Unterschlupf ins Stolpern gerieten und zu Boden stürzten.
Dann kam auch noch ein mächtiger Sturm auf, mit so heftigen Böen, dass Acorna ernsthaft damit rechnete, die Pavillons jeden Moment wie Räder über den Boden taumeln zu sehen. Doch natürlich sahen die Zeltbauten nur so aus, als bestünden sie bloß aus dünnen Stoffbahnen und zerbrechlichen Stützstangen. In Wirklichkeit waren sie bemerkenswert stabil.
Der Sturm verschaffte Acorna vielmehr sogar die Gelegenheit, eine weitere Eigenschaft der Gebäude mitzuerleben. Als der Erdboden nämlich zunehmend überflutet wurde, hoben sich die Fußböden der Pavillons entsprechend an, und Rampen schoben sich aus dem darunter sichtbar werdenden Unterbau, die weiterhin einen ungehinderten Zugang zu den nunmehr erhöhten Innenböden ermöglichten. Gleichzeitig wurden alle Hauptmasten der Pavillons, die bislang über die Zeltdächer hinausgeragt hatten, ein Stück weit ins Zeltinnere eingezogen, um nicht durch ihre exponierte Stellung womöglich Blitze anzuziehen. Stattdessen tauchten entlang der Außenbereiche des Zeltareals plötzlich andere Masten auf, die eigens dafür ausgefahren wurden, um eben diese Blitze auf sich zu ziehen und Einschläge in die Pavillons zu verhindern.
»Energiekollektoren«, klärte sie eine ziemlich nasse Großmama Naadiina auf. Sie kam kurz nach Acorna ins Zelt und lachte lauthals, als sie die schwarzen Striemen sah, die das vom Regen ausgespülte Färbemittel beim Herabrinnen in Acornas
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