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Affinity Bridge

Affinity Bridge

Titel: Affinity Bridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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lassen, weil sich in dem
Fall etwas Neues ergeben hatte. Falls doch, so würde sie ihm einfach erzählen,
sie habe beschlossen, einen Spaziergang zu unternehmen. Schließlich sollte sie
ja den Tag nutzen, um einmal auszuspannen.
    Sie sah sich um. Eine Wärterin saß an der Tür und blickte in den
Flur. Vermutlich die Aufpasserin, die während des Besuchs in der Nähe bleiben
würde, um darauf zu achten, dass ihre Schwester nicht gewalttätig wurde, oder
um zu verhindern, dass Veronica ihr verbotene Gegenstände wie Kosmetika, Messer
oder Fotos der Familie zusteckte. Das war natürlich lächerlich. Ihre Schwester
hatte noch nie im Leben jemanden verletzt, und Veronica hatte nicht die
Absicht, Amelia Schwierigkeiten zu machen und irgendwelche Geschenke
mitzubringen, die sie in Unruhe versetzten.
    Doktor Mason glaubte, je weniger Kontakt die Patienten zu ihren
Familien hätten, desto leichter fiele es ihnen, sich auf die neue Umgebung
einzustellen. Bei ihrer letzten Begegnung hatte er Veronica sogar wegen ihrer
häufigen Besuche ermahnt, alle möglichen neuen Aufsätze über das Thema zitiert
und behauptet, die regelmäßigen Treffen wirkten dem Behandlungsplan, den er für
Amelia ausgearbeitet hatte, entgegen. Veronica hielt es für eine recht
altmodische Art, jemandem zur Gesundung zu verhelfen, indem man ihn von denen
trennte, die ihn liebten. Außerdem wusste sie, dass es sowieso ein sinnloses
Unterfangen war, auch wenn sie dies gegenüber Doktor Mason nicht zugab. Es
würde zu nichts führen, wenn sie durchblicken ließ, dass sie nichts von seiner
Diagnose hielt. Veronica wusste ganz genau, dass ihre Schwester keineswegs so
verrückt war, wie der Arzt ihre Eltern glauben machte. Amelia war nicht
verrückt. Sie konnte einfach nur in die Zukunft blicken.
    Veronica hob den Kopf, als sie draußen auf dem Flur Schritte hörte.
Die Wärterin, die auf dem Hocker saß, nickte ihr kurz zu, und gleich darauf
erschien eine Kollegin in weißer Uniform und führte Amelia herein. Veronicas
Herz setzte aus. Sie stand auf und umarmte ihre Schwester.
    Amelia war entsetzlich dünn und trug locker sitzende Kleidung, eine
graue Wollbluse und einen passenden Rock, der nach Veronicas Ansicht viel
besser in ein Gefängnis als in ein Hospital gepasst hätte. Das Mädchen hatte
pechschwarze lange Haare, die locker auf die Schultern fielen. Mit ihrer
hellen Haut und den weichen Gesichtszügen sah sie noch nicht einmal nach den
neunzehn Jahren aus, die sie tatsächlich zählte. Sie wirkte eingeschüchtert,
doch ihre Miene hellte sich auf, als sie das Besucherzimmer betrat und Veronica
ihr entgegeneilte.
    Â»Veronica! Du bist hergekommen!«
    Veronica umarmte sie und spürte die spitzen Schulterblätter unter
dem dünnen Stoff. »Aber natürlich bin ich gekommen!« Sie führte Amelia zu dem
Sofa, auf dem sie vorher gesessen hatte, und zog ihre Schwester neben sich.
»Isst du auch genug? Du bist so schrecklich abgemagert.«
    Â»Ich esse gut, Schwester. Das Essen hier ist ganz passabel.« Sie
zwang sich zu einem Lächeln. »Welche Neuigkeiten bringst du mir von der
Außenwelt? Hast du etwas von unseren Eltern gehört?«
    Die Frage behagte Veronica nicht. »Nein, Amelia, ich habe nichts von
zu Hause gehört.« Sie tätschelte ihr den Handrücken. »Aber ich bin sicher, dass
sie sich bald melden.« Dann senkte sie die Stimme zu einem Flüstern. »Du weißt
ja, wie Doktor Mason immer von Besuchen abrät.«
    Amelia blickte zur Tür, wo die Aufpasserin hockte und in den Flur
starrte, als gäbe es nichts Interessanteres zu betrachten. Amelia seufzte. »Ich
verstehe das nicht, Veronica. Sie müssen doch ihren Fehler inzwischen erkannt
haben. Es ist völlig klar, dass ich nicht verrückt bin. Ich bin überzeugt, dass
die Anfälle eine medizinische Ursache haben. Das muss man doch mit Medikamenten
oder Arzneien irgendwie beheben können. Es muss einfach möglich sein.« Sie
blickte Veronica in die Augen. »Ich möchte so gern nach Hause.«
    Veronica schossen die Tränen in die Augen. Sie blinzelte tapfer und
bemühte sich, für ihre Schwester stark zu sein. »Ich weiß, Amelia. Ich weiß.«
Sie wandte sich ab, um dem flehenden Blick zu entgehen. »Du hast eine sehr seltene
Krankheit. Die Ärzte brauchen Zeit, um sie zu studieren und einen Weg zu
finden, dir zu helfen.

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