African Boogie
Zweideutigkeit dieses Satzes bewusst zu sein.
»Dann halten Sie still. Gleich haben Sie es hinter sich.« Andreas Amendt setzte den letzten Stich und deckte die Wunde mit einem breiten Streifen Heftpflaster ab. Dann langte er in das Bonbon-Glas, das auf der Rezeptionstheke stand, fischte einen Lutscher heraus und gab ihn dem Freiherrn, der – noblesse oblige – die Demütigung geflissentlich übersah, den Lutscher auspackte und in den Mund steckte.
»Ich hole wohl besser den Döring aus dem Bett«, sagte Harry. »Macht einer von euch schon mal Kaffee?«
Augustin verschwand in einem Hinterzimmer, während Harry davonging. Langsam und zögernd. Es war ihm nicht zu verdenken. Letztlich war es seine Aufgabe, für Sicherheit auf Golden Rock zu sorgen. Und er hatte versagt.
Katharina setzte sich auf einen Sessel neben den Freiherrn, der immer noch seinen Lutscher im Mund hatte: »Was haben Sie überhaupt auf der Brücke gemacht?«
»Ich hab’ einen Freund auf der Insel besucht. War auf dem Rückweg. – Moment, Sie glauben doch nicht etwa, dass ich ...?«
»Na ja, immerhin –«
»Ich habe einen Doktortitel in Meeresbiologie und einen Magister in Germanistik«, empörte sich der Freiherr giftig. »Halten Sie mich für so blöd, dass ich eine Brücke sprenge, wenn ich gerade draufstehe? Und wenn die ganze Insel voller Gäste ist? Ich will die verdammten Menschen runter haben von Golden Rock und sie nicht auf alle Ewigkeit hier ansiedeln.«
»Ansiedeln?«
»Der Brückenbau hat fast ein Jahr gedauert. Und Boote kommen nicht zur Insel. Flugzeuge und Helikopter ebenso wenig. Glauben Sie, ich habe Lust, das nächste Jahr mit dieser Jack-ooo zu verbringen? Oder mit diesem Kretin Mandeibel?«
»Mandeibel ist tot«, erwiderte Katharina schroff. »In seiner Toilette ertrunken.«
Der Freiherr sah sie verdutzt an: »Wodrin?«
»In seiner Toilette.«
»Ertränkt? Absichtlich?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Na ja, ich habe gehört, wie dieser Franzose und der Mandeibel an der Bar alte Schulgeschichten ausgetauscht haben. Kleinere im Klo untertauchen und so weiter. Pöbel!«
»Aber Sie …?«
»Frau Yamamoto, ich bitte Sie. In der Toilette untertauchen? Das tun nur Proleten.«
»Sie hätten wohl ein ehrliches Duell vorgezogen, oder?«
Von Weillher lehnte sich zurück, und schaffte es, gleichzeitig beleidigt und hochmütig auf sie herabzublicken: »Frau Yamamoto! Erstens töte ich keine Lebewesen, und das schließt Menschen mit ein. Zweitens war dieser Kerl ja nicht mal satisfaktionsfähig.« Abrupt stand er auf: »Sie gestatten, dass ich mich zurückziehe? Mein Kopf schmerzt. Und finden Sie bitte den Idioten, der die Brücke gesprengt hat.«
»Soll ich ihn dann über Bord werfen?«
»Nein, Sie sollen tun, was Sie sonst auch tun. Oder wollen Sie mir weiter erzählen, dass Sie ›Unternehmensberaterin auf Urlaub‹ sind?« Damit stolzierte er in die Dunkelheit davon.
»Yamamoto? Unternehmensberaterin?«, fragte Andreas Amendt überrascht.
»Ja! Und Ihnen wäre ich dankbar, wenn Sie meinen wirklichen Namen nicht noch weiter in die Welt hinausposaunen würden«, blaffte Katharina ihn an.
»Entschuldigung.« Andreas Amendt wich ein paar Schritte zurück. Richtig so.
»Stefan, setz dich besser.« Stefan Döring hatte sich eine Hose und ein Jackett über seinen Pyjama gestreift. Seine Haare waren zerwühlt und sein Gesicht vom Schlaf zerknittert. Harry bugsierte ihn zu einem großen Tisch in der Rezeption. Döring ließ sich in einen Sessel sinken: »Was gibt es denn so Dramatisches, dass du mich um vier Uhr morgens aus dem Bett holen musst?«
»Nun, ja«, begann Harry herumzudrucksen. »Wir haben einen Toten.«
Stefan Döring hatte gerade herzhaft gegähnt. Jetzt sah es so aus, als hätte ihm der Schreck den Kiefer ausgehakt: »Einen Toten? Hier? Wen?«
»Diesen Mandeibel. Er ist ertrunken.«
»Wo? Im Pool? Im Meer? Wir haben doch …«
»Nein, in seiner Toilette.«
Stefan Döring blinzelte ungläubig. »In seiner Toilette? Wie geht das denn?«
»Tja, Doktor Amendt hier glaubt, es war ein Unfall.«
Stefan Döring musterte Andreas Amendt. »Aha. Und Sie sind wer?«
Harry antwortete: »Doktor Amendt ist Gerichtsmediziner aus Deutschland.«
»Wie hast du den denn so schnell hierher gekriegt?«, fragte Döring beeindruckt von der Tatkraft seines Sicherheitschefs.
»Ich bin ein Gast von Frau Herbst«, erklärte Andreas Amendt. »Als Herr Markert Frau Herbst alarmiert hat, dachte ich, ich komme besser
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