Afrika Saga 02 - Feuerwind
hängenden Regenwolken musste die Sonne bereits aufgegangen sein, denn es war recht hell.
Grimmig untersuchte sie die unzähligen, bösartig roten, höllisch brennenden Ameisenbisse und auch die übrigen Wunden, die von Dornenkratzern herrührten, wünschte, dass ihr noch etwas von dem Honig geblieben wäre, um ihn auf die schlimmsten zu schmieren.
Besonders ein Riss auf ihrem linken Arm, wo ein nadelspitzer Dorn hängen geblieben war und die Haut aufgeschlitzt hatte, ging tief und machte ihr Sorgen. In dem feuchtheißen Klima dieses Landstrichs waren schon einige Leute an einem solch läppischen Kratzer, der zu eitern begann und den ganzen Körper vergiftete, gestorben. Hätte sie doch nur Nadel und Faden! Es wäre nicht das erste Mal, dass sie eine Wunde genäht hätte, abgesehen von der Pavianpfote. Sie überlegte.
Dan de Villiers hatte ihr einmal einen Tipp gegeben, der irgendetwas mit Ameisen zu tun hatte und über den sie damals tüchtig gelacht hatte, weil er ihr so abwegig vorgekommen war. Grübelnd lauschte sie dem Rascheln des Ameisenstroms, der auf der anderen Seite des Stamms wieder hinunterlief und sich am Boden über einen kläglich piepsenden Jungvogel hermachte. Das Piepsen erstarb kurz darauf, nur noch dieses unheimliche Rascheln und Knistern war zu hören.
Dann fiel es ihr wieder ein. Fast musste sie lachen. Welch eine süße Rache! Sie langte hinunter, fing eine Ameise ein, packte sie behutsam am Hinterleib, drückte den Kopf mit den Beißzangen über den Riss auf ihrem Arm. Das Insekt biss zu und heftete die Wundränder gleichsam zusammen. Mit einer deftigen Drehung drehte sie den Hinterleib ab, der Kopf blieb dran und ließ nicht los, der Riss war somit teilweise geschlossen. Noch vier Ameisen mussten dran glauben, dann war die Wunde so gut wie vernäht. Vielleicht sollte sie noch Schlamm darauf schmieren. Nach ihrer Erfahrung verhinderte diese Maßnahme häufig eine Entzündung.
Sie schaute hinunter. Schlamm gab's weiß Gott genug. Ihre mit verkrustetem Blut verschmierte Bluse klebte auf der Haut, der lederne Hosenrock war glitschig und kalt. Es war Zeit, von ihrem Hochsitz hinunterzusteigen. Auf einem Ast unter ihr schlängelte sich eine hübsche, grüne, sehr giftige Baumschlange entlang, und sie war so hungrig, dass sie überlegte, ob das Fleisch der Schlange ebenfalls giftig war oder ob sie nur irgendwo im Leib ein Giftsäckchen hatte, das mit ihren langen, gebogenen Zähnen in Verbindung stand. Schon hielt sie Ausschau nach einem Knüppel, traute sich zu, das Reptil zu erschlagen, ohne gebissen zu werden. Was aber wäre, wenn so ein Giftsack platzen würde? Die Vorstellung, hier allein in der Wildnis, weit weg von Johann, am Gift dieser Schlange zu verrecken, nur weil sie ihren Hunger nicht bezähmen konnte, hielt sie dann von diesem Vorhaben ab.
Einem Impuls gehorchend, zog sie sich vorsichtig in ihrem Schlafbaum höher, wagte sich bis hinauf auf die dünneren, biegsamen Zweige, um einen Überblick über ihre Umgebung zu bekommen. Sie schob die tropfenden Zweige beiseite und reckte den Hals.
Da geschah das Wunder.
Urplötzlich hörte der Regen auf, die Sonne drückte die Wolken weg, die Landschaft leuchtete auf. Zurück blieb nur glänzende Nässe. Hier und da tropfte es von den Blättern, und das Holz knisterte, während es in der Sonnenwärme trocknete. Schwalben schössen pfeilschnell über den tiefblauen Himmel, verloren sich in dem gleißenden Licht, der Gesang der Baumfrösche steigerte sich zum Crescendo, und aus dem Busch vereinigten sich unzählige Vogelstimmen zu einen jubilierenden Chor. Die Natur feierte das Ende des Unwetters.
Ihr schössen vor Erleichterung die Tränen in die Augen. Sie befand sich am Rand eines spärlich mit Baumgruppen bestandenen, weiten Tals. Unter ihr stand eine uralte Akazie am Ufer eines Wasserlochs, dessen Krone von einem riesigen Gemeinschaftsnest der gelben Webervögeln überzogen war. Catherine sah nicht die Schönheit der hübschen, goldgelben Vögel, alles, was sie sah, war Nahrung. Eier, Jungvögel, wenn sie Glück hatte einen erwachsenen Vogel oder vielleicht sogar zwei. Sie lachte laut.
Schnell ließ sie einen letzten Blick übers Tal gleiten, blieb an einem dottergelben Schleier hängen, der sich auf der anderen Talseite über glänzendes Grün eine flache Anhöhe hinaufzog. Eben wollte sie sich abwenden, als eine Erinnerung sich in ihr regte. Einen Augenblick starrte sie hinüber, war sich nicht sicher, was sie sah. Das Dottergelb
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