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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verwaschen. Selbst die Konturen der Dinge waren es. Über die weiße Wand hatte er grünliches Wasser rinnen sehen und der Krankenhauskalender mit seinen Bildchen und frommen Sprüchen war nichts als ein schwarzer fließender Fleck.
    Aber jetzt! Heute? – Heute hatten sie ihm jede Menge Suppe und Fleisch serviert. Und sogar Salz war da drin. Phantastisch hatte es ihm geschmeckt. Und an die verdammten Dialyseschläuche dort unten im Keller mußte er auch nicht mehr.
    »Mach's gut«, hatte die Assistentin gesagt und ihm die Hand geschüttelt. »Und besuch mich mal, wenn's dir langweilig ist.«
    Sie war nett, die Rosemarie. Spitze sogar. Aber besuchen – nie.
    Werner Roser lächelte. Dann schwang er die Beine vom Bett, stand auf und ging hinaus auf den Balkon, um seine letzte Zigarette im Rotkreuz-Krankenhaus zu rauchen.
    Als er zurückkam, stand Stationsarzt Dr. Brügge in seinem Zimmer. Er war mager, klein, hatte semmelfarbenes Haar und eine Brille auf der Nase. Die Schwestern nannten ihn den ›Fliegenden Elefanten‹, weil er so große Ohren hatte. Na, und man konnte ganz gut mit ihm auskommen.
    »Ich hab nochmal mit dem Chef geredet, Werner. Alles okay. Sie können abmarschieren.« Der Fliegende Elefant sah sich um und staunte: »Schon gepackt? Jetzt haben Sie's eilig, was?«
    »Und ob!«
    »Ich kann Sie verstehen. War 'ne harte Zeit. Für uns übrigens auch.«
    Werner Roser nickte. Er überlegte kurz, aber es war ja schließlich angebracht: »Danke, Doktor«, sagte er, »danke für alles.«
    Der Stationsarzt lächelte. Dann wurde er ernst: »Da war noch etwas, Herr Roser. Ein paar Kontrollen sind für Sie noch fällig. Den Rest … nun. Sie können sich auch zu Hause therapieren. Dazu wär's allerdings ganz gut, wenn ich kurz mal mit einem Ihrer Angehörigen sprechen könnte. Die Diät, die Flüssigkeitsmengen, Medikamente … Also in Ihrer Situation sollte man schon ein bißchen kontrollieren, ob Sie auch brav sind und sich so verhalten, wie wir Ihnen das vorgebetet haben. Wie ist das denn? Ihr Vater war doch immer hier …«
    »War«, sagte Werner.
    Dr. Brügge zog fragend die Augenbrauen hoch, aber Werner Roser schwieg. Gleich nach dem Unglück und auch lange Zeit danach hatte sein Vater hier rumgesessen. Nicht nur einmal, oft zwei- oder dreimal am Tag. Richtig mitbekommen hatte er das gar nicht … doch, die Augen hatte er gefühlt. Irgendwie. Weil der Vater ihn die ganze Zeit nur anstarrte. Und oft redete er vor sich hin, ganz leise. Direkt zu ihm sagte er kaum etwas, aber wenn er glaubte, daß sein Sohn schlief, fing er an zu reden. Mit sich selbst. Wie ein Verrückter. »Ich bring sie um …«, hatte er gesagt, »ich bring sie alle um.« Das war damals, als Werner so getan hatte, als schliefe er; dann hatte er plötzlich die Augen geöffnet und gefragt: »Und wen? Wen, Papa?« Doch da war keine Antwort gekommen.
    Sollte er das vielleicht jetzt dem Arzt sagen? Wieso? Und woher sollte er wissen, warum sich der Alte plötzlich nicht mehr sehen ließ? Dienstag vor einer Woche, ja, Dienstag war es das letzte Mal.
    »Wenn ich Ihren Herrn Vater nicht mehr sehe«, meinte jetzt der Stationsarzt, »könnte ich eventuell mit Ihrer Mutter sprechen?«
    Werner schüttelte den Kopf: »Die ist selber krank.«
    Dr. Brügge seufzte. »Trotzdem! Irgendwie muß da was passieren. Der Chef hat es ausdrücklich verlangt. Schließlich haben wir, bei Gott, genug für Sie getan, finden Sie nicht?«
    »Doch, doch, das …«
    Er unterbrach sich, denn die Türe hatte sich geöffnet, und herein kam, ein leicht schiefes Grinsen auf dem Gesicht, sonst aber ungeheuer selbstsicher, ein langer blonder Typ und sagte einfach: »Hallo!«
    Dr. Brügge stand auf. Vielleicht hatte er etwas anderes zu tun; vielleicht fand er das Gespräch unergiebig, oder er wollte einfach nicht stören – jedenfalls ging er mit einem lächelnden »Wir sprechen nochmals darüber« aus dem Zimmer. Vielleicht auch, dachte Werner, vielleicht hatte Brügge den Typ hier wegen seiner Armschlinge für einen Krankenhausfreund gehalten. Stimmte aber nicht. Er hatte ihn noch nie gesehen. So musterte er ihn schweigend und abwartend.
    »Sie sind Werner Roser, nicht?«
    Werner nickte.
    »Und ich dachte, Sie sind schwerkrank. Dabei sind Sie am Packen.«
    »Ich war schwerkrank.«
    »Na, dann kann ich ja gratulieren.«
    »Was wollen Sie eigentlich?«
    »Mein Name ist Göttner. Rüdiger Göttner. Rauchen Sie, Herr Roser?«
    »Das hab ich gerade. Kein Bedarf.«
    »Darf ich?«
    Er

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