Airport-Klinik
Doktor, das alles weiß ich von den anderen. Ich hab ein Flugzeug zu steuern. Das heißt, daß ich vorn sitze und beim Jumbo auch noch oben. Ich gebe Ihnen die Stewardeß, die mit ihm zu tun hat. Sie sagte mir, daß sie Sie kennt.«
Also doch! Evi … Elf Stewardessen waren an Bord, die Chance hatte eins zu elf gestanden. Nun aber … Sein Herz klopfte.
Doch Evi meldete sich ganz sachlich und beschrieb das Verhalten des Passagiers, seine kurzen, spastischen Bewegungen vor der Ohnmacht … wie er mit Armen und Beinen gleichzeitig um sich schlug. »Das Auffälligste aber war sein Gesicht«, schloß sie den ersten Bericht.
»War die Haut gerötet?«
»Das auch. Zunächst. Aber die Augen – winzige Pupillen! Er machte einen schrecklichen Eindruck. Und er entwickelte eine unglaubliche Kraft … Jetzt stehen die Pupillen ganz weit.«
Evis Stimme hatte die sachliche Kühle auf einmal verloren. Nicht nur die Anspannung, auch die Erregung über das Geschehene war ihr anzumerken: »Drei, vier Passagiere versuchten ihn zu bändigen. Das waren kräftige Männer, und er ist nicht besonders groß.«
»Wie schwer etwa?«
»Siebzig Kilo vielleicht, höchstens achtzig. Aber er schien stärker als alle anderen.«
Während Evi sprach, hatte Hansens Mediziner-Verstand jedes ihrer Worte und jede mögliche Konsequenz daraus analysiert und blitzschnell all sich ergebenden Varianten durchgeprobt. Eine Eil-Anamnese mußte erstellt, die Gründe des organischen, vielleicht auch psychischen Geschehens eingekreist werden, die den Zusammenbruch auslösten. Und dann, ja dann brauchte die Besatzung sofort die geeigneten Therapie-Maßnahmen. Aber welche?
»Lieber Gott«, es kam ihm einfach so über die Lippen, ohne daß er nachdachte, »lieber Gott, Evi, was wär ich jetzt gern bei dir.«
»Ja«, hörte er, »das wäre auch einfacher.«
Es war ihm egal, ob die anderen das mitgehört hatten. Aber was, verdammt nochmal, war mit dem Mann los? Alle Symptome, die Evi geschildert hatte, deuteten auf eine schwere, lebensgefährliche Bedrohung im Magen- und Darmbereich. Aber welche? Die Möglichkeiten schienen unendlich. Eine plötzlich aufgeflammte Peronitis, ein durchgebrochenes Magengeschwür – alles kam in Betracht. Auch eine Vergiftung …
Und das war es wohl! Er konnte keine Perspektive außer acht lassen, aber der Verdacht, der sich ihm von Beginn an durch das Wort ›Kolumbien‹ aufgedrängt hatte, schob alle anderen Erwägungen in den Hintergrund: Die Pupillenstellung, die gleichzeitige motorische Aktivität, seine Erregung? – Kokain. Was sonst?
Eine Kokain-Vergiftung, die zu einem halluzinatorischen Schub geführt hatte; zu der letzten, unbegreiflichen Kraftentfaltung, von der Evi gesprochen hatte. Bei jeder schweren inneren Erkrankung hätte der Mann sich vor lauter Schmerzen nicht gerührt. Aber das Drogengift mußte das zentrale Nervensystem überflutet und diesen letzten paranoiden Anfall ausgelöst haben, ehe er zusammenbrach.
»Wie ist seine Atmung jetzt?«
»Ganz schnell. Auch der Puls wird immer schneller und dünner.«
»Die Gesichtsfarbe?«
»Ich weiß nicht, grau …«
»Sieh genau hin, Evi. Grau oder bläulich?«
»Bläulich eigentlich.«
»Und die Pupille, wie sieht sie jetzt aus? Kontrolliere auch die Muskeln.«
»Die Pupillen sind jetzt weit. Ganz groß. Die Beine hart.«
Ein Spasmus, Krämpfe. Sie waren ausgelöst durch den Sauerstoffmangel, das würde gleich vorübergehen. Aber dann?
Der Sauerstoffmangel stellte die größte Gefahr dar. Die Droge hatte das zentrale Nervensystem überflutet und konnte es jeden Moment lähmen. 800 bis 1.200 Milligramm Kokain – er hatte die Zahl kürzlich selber bei einer internen Schulung den Zöllnern und Sicherheitsbeamten des Airports genannt –, mehr konnte ein menschlicher Organismus nicht aufnehmen. Was darüber hinaus ging, bedeutete den sicheren Tod.
Das Teufelszeug kam ja nicht nur in Flugzeug-Containern oder Schiffsverstecken an. Immer wieder versuchten sich Drogen-Kuriere als Einzelkämpfer. Sie versteckten Kokain in Kosmetikas, in Puppen, in Kameras oder Kofferböden, nähten es in Anzug und Perücken ein. Und die ärmsten der armen Schweine blieben diejenigen, die aus Angst vor Entdeckung die Droge im eigenen Körper transportierten: im After, in der Scheide, selbst im Magen. Ihnen war nicht klar, welch tödlicher Gefahr sie sich auslieferten.
Ein zerrissener, von Magensäure angefressener Kondom – wenn es sich darum handelte, war es ein Wunder, daß
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