Airport-Klinik
schief, weil Rolf Gräfe nicht in Form war. Aber er hatte es doch am Ende hingekriegt. Die Blutung stand. Und in der Nacht schon, nein, am Morgen konnten sie den jungen Roser aus der Intensivstation ins Rotkreuz-Krankenhaus überweisen. Hatten die dort vielleicht …?
Fritz Hansen nahm eine Zigarette. Und noch etwas, dachte er, als er das Feuerzeug aufspringen ließ: Was sollte das denn, diese Drohung? Ihr seid alle dran. Die Klinik, den ganzen Laden hochgehen lassen.
Ein Verrückter? Ein Depressionsschub? Ein Anfall verzweifelter Wut? Man sagt vieles … Und trotzdem: Hatte die alte Dame mit der Handtasche nicht vollkommen recht gehabt mit dem Vorschlag, die Polizei zu alarmieren?
Wen rufst du zuerst an? Brunner vom Schutzdienst – oder das Rotkreuz-Krankenhaus?
Ach Quatsch – du siehst wieder einmal Gespenster!
Er nahm den Hörer ab: »Verbinden Sie mich mit dem Rotkreuz-Krankenhaus in der Königswarter Straße.«
»Rotkreuz-Krankenhaus, Zentrale«, meldete sich eine Männerstimme.
»Hier ist Hansen, Airport-Klinik. Hören Sie, wir haben Ihnen einen Fall überwiesen, einen gewissen Werner Roser … Der Mann liegt meines Wissens auf Zimmer 324. Könnte ich den diensthabenden Kollegen der Station mal sprechen?«
»Das ist Doktor Schuhmann. Einen Augenblick.«
»Schuhmann.« Die Stimme, die sich meldete, wirkte ziemlich jung. Anscheinend ein Assi.
»Hansen. Hören Sie, Herr Schuhmann, wir haben Ihnen von der Airport-Klinik vor zehn Tagen, das Datum hab ich im Moment nicht, einen Unfallverletzten überwiesen. Ein ziemlich übles Thorax-Trauma. Der Mann bekam eine Ladung Baueisen in die Brust. Wir machten hier die Erstversorgung, brachten die Blutung zum Stehen und schickten ihn zu Ihnen. Der Mann heißt …«
»Roser. Werner Roser.«
»Richtig. Sie kennen den Fall?«
»Und ob! Wir haben mit diesem Roser mehr zu tun, als mit dem ganzen Rest der Station zusammen. Soweit ich weiß, wurde Ihnen sogar ein Bericht übersandt, Herr Dr. Hansen.«
»Ein Bericht?« Hansen zog an seiner Zigarette. Er hatte ihn nicht gesehen oder nicht beachtet. In dieser verdammten Horror-Hektik hier übersah man vieles. »Leider, Herr Kollege: Ich kann mich nicht entsinnen. Wissen Sie, bei uns geht's ziemlich rund.«
»Es war ja auch nur Routine.« Die junge Stimme am anderen Ende klang verständnisvoll: »Aber um Sie kurz aufzuklären: Es gab Komplikationen. Und so ziemlich die miesesten, die es in solchen Fällen geben kann. Na, ein paar Baueisen im Brustkorb zu verdauen, ist ja auch nicht so einfach.«
»Eine Sepsis?«
»Richtig! Und eine Multi-Infektion dazu. Sie wissen ja, wie schnell so etwas bei einem offenen Thorax passieren kann. Wir haben Lavagen gemacht, mit den schwersten Mitteln gebombt …«
»Und der Erreger?«
»Ein Streptokokus epidermidis. Ziemlich poli-resistent.«
»Und nieren-toxisch«, sagte Hansen.
»Das ist es ja. Da liegt der Hund begraben. Es kam ein akutes Nierenversagen hinzu, und seitdem müssen wir ihn dialysieren. Bei so einer Geschichte pendelt man immer hin und her bei der Frage, was wichtiger ist: die Infektions-Bekämpfung oder die Niere? Heikle Geschichte.«
»Aber der Junge, der ist doch eigentlich ziemlich kräftig?«
»Sicher. Und er kommt auch durch. Nur, das dauert.«
»Danke«, sagte Hansen. »Vielen Dank. – Ah, noch was: War der Vater bei Ihnen?«
»Jeden Tag, Mann, jeden Tag zieht der bei uns eine Schau ab, das ist gar nicht mehr auszuhalten. Und Ihnen … Ihnen gibt er die Verantwortung, dabei …«
»Dabei kann er sich den Erreger überall eingefangen haben – auch in eurem Laden«, vollendete Hansen den Satz.
»So ist es. Unter uns natürlich …«
»Nochmals vielen Dank.«
Hansen legte auf, verschränkte die Finger und legte das Kinn auf die Knöchel. Schön sehen wir aus … Dieser Dr. Schuhmann, so jung er war, schien ziemlich kompetent. Und auch optimistisch. Und ein Vater, der in einer solchen Situation durchdreht, auch das war schließlich zu verstehen. Also, vergiß es! Hak es ab. Gestrichen.
Er stand auf und ging zum Spiegel, betrachtete sein Gesicht. Eine kleine gerötete Schwellung; das würde alles sein, was davon bleibt.
Der Junge kommt durch … Das werden wir schon sehen. Wäre ja noch schöner …
Hansen hatte den Schlüssel kaum ins Schloß seiner Wohnungstür gesteckt, als sie schon von innen geöffnet wurde. Und da stand Evi.
»Mensch, was für ein Glück, daß du kommst!« rief sie. »Ich wollte schon telefonieren.«
»Etwa wieder ein
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