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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der hatte diese Speisenröhren-Ruptur.
    Seine Nervosität wuchs. Dann war es wie immer: Er mußte eingreifen, handeln. Mußte Menschen zurückscheuchen, die lachend und schreiend mit sich selbst beschäftigt waren: Urlauber, Geschäftsleute, Vergnügungs-Reisende. Die einen braun und fröhlich, die anderen hektisch oder konzentriert. Der Anblick der rennenden Sanitäter mit ihrer Bahre und der hinterher eilende Arzt machten sie nur für Sekunden betroffen.
    Der Mann lag auf dem Rücken, die Arme von sich gestreckt, die Beine geschlossen, wie ein Gekreuzigter. Über ihm kniete mit gekrümmtem Rücken eine zierliche, weißhaarige, alte Frau und hielt seinen Kopf. »Mein Oskar …« sagte sie immer wieder, es war nur ein Flüstern, doch Honolka schien es lauter als das Tosen der Stimmen und das Knacken der Bänder in der lärmerfüllten Halle. »Mein Liebster … Bitte, bleib doch. Bleib bei mir …«
    Jetzt sah sie auf. Sie hatte dunkle Augen, die voller Tränen waren.
    »Darf ich mal?« Honolka schob sie sanft ein wenig zur Seite. Er legte die Fingerspitzen an die Halsschlagader.
    »Er lebt doch, nicht wahr, Herr Doktor?«
    Honolka nickte. Der Puls war da – doch wie lange noch? Er ging sehr schwach. Und ein einziger Blick auf die erschlafften Gesichtsmuskeln genügte für die Feststellung, daß beide Seiten bereits betroffen waren. Ein derart blitzartiger Ablauf sprach für eine Hirn-Embolie, also für einen Verschluß. Aber wenn es eine Blutung war? Dann würden Anti-Gerinnungsmittel sie verstärken … Verdammt, wie konnte er das jetzt entscheiden?
    Das muß in der Klinik festgestellt werden. Wenn bloß Hansen …
    »Fritz! Glukose!« Zart – so zart es überhaupt in dieser Situation möglich war – führte er die Kanüle ein, durch die die Traubenzucker-Lösung fließen konnte.
    Dann gab er den Sanitätern das Zeichen, die Bahre anzuheben.
    »Kann ich mitkommen?« fragte die kleine Frau. »Bitte, Herr Doktor.«
    »Aber natürlich können Sie das. Kommen Sie.« Er legte die Hand auf ihre Schulter, dann lief er neben der Bahre her. Die Menschen, die neugierig stehengeblieben waren, machten Platz. Ein Spalier von Gesichtern bis zum Wagen.
    Er half der Frau hinein. »Hier, hier können Sie sich setzen.«
    Der Wagen zog an. Der Oberpfleger hatte bereits die Elektroden angelegt und beobachtete auf dem Monitor zusammen mit Dr. Honolka, wie das Herz seinen Kampf fortsetzte, aber schwächer wurde, noch schwächer …
    Der Wagen schwankte. Wullemann griff, ohne ein Wort zu sagen, zum Spritz-Etui. Er sah Honolka an und las die Antwort in seinem Blick. Winzig und unregelmäßig wurden die Zacken auf der Kurve. Das Herz mit dem Adrenalin-Hormon wieder anzutreiben – wozu konnte das noch gut sein. Es würde nur zu weiteren Zerstörungen führen. Würde eine Entscheidung des Schicksals hinausschieben, gegen die kein Veto mehr möglich war.
    Und da kam es schon; der Hirntod mußte bereits eingesetzt haben: Ein leises Piepen, dann die lange, gerade, schreckliche Linie … Herzstillstand.
    Das Gesicht der alten Frau war jetzt gefaßt und ruhig. Ihr Blick ging zwischen Wullemann und Honolka hin und her, blieb schließlich am Monitor hängen.
    »Ist es … ist es das, nicht wahr?«
    Dr. Honolka nickte.
    Der Wagen hielt. Sie stand auf, Fritz Wullemann stützte sie. Sie ging zu der Bahre, breitete die Arme aus und drückte ihr Gesicht gegen das Gesicht auf dem Polster. Und blieb ganz lange so.
    Olaf Honolka verließ den Wagen. Wullemann räusperte sich; als die Frau sich wieder aufrichtete, nahm er sie vorsichtig, unendlich vorsichtig um die Schulter und führte sie hinaus: »Geht es so?«
    Sie nickte. »Es muß … Ich muß wohl weitermachen, nicht?«
    »Sie sind sehr tapfer«, sagte Fritz Wullemann und hielt sie fest.
    Als Dr. Honolka die für die Todesbescheinigung erforderlichen Personalien aufnahm, traf er die alte Dame wieder. Zusammen mit ihren Familienangehörigen. Sie saß aufrecht auf einem Stuhl, ihr Blick ging irgendwohin in die Ferne. Ein kleiner Junge stand neben ihr. Auf ihrem Schoß lag ein großer Rosenstrauß. An der Wand stand eine junge Frau in einer sehr eleganten, weitgeschnittenen Seidenjacke. Sie hatte rote Haare und war ein wenig zu stark geschminkt – aber vielleicht schien es nur so, weil dieses Lippenrot nicht zur Situation passen wollte; nicht zum Tod und auch nicht zu dem zitternden, bleichen, schweren Mann an ihrer Seite, der nur mühsam Antworten zustande brachte.
    Und auch nicht zu der alten Dame

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