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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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für einen Moment die Hand drückte.
    »Danke, Tatjana Sotowna«, sagte er zärtlich. Das Stubenmädchen erglühte und blickte verstohlen zu der Generalswitwe. »Wie denken Sie über die Liebe?«
    »Unsereins ist nicht zum Denken da«, lispelte Tanja. »Dafür gibt’s die gebildeten Leute.«
    »Unsere Nonne hat aber guten Appetit«, bemerkte Krasnow und zeigte auf die leere Platte, von der Pelagia sich gerade die letzte Schinkenscheibe genommen hatte. »Obwohl wir die Fasten haben, Schwesterchen?«
    »Macht nichts«, antwortete Pelagia verschämt. »Heute ist doch das Fest der Verklärung Christi, da erlaubt es die Klosterordnung.«
    Sie tat, als führte sie den Schinken zum Munde. Sakidai stieß ihr sogleich empört die Schnauze ans Knie – du vergisst dich. Pelagia ließ unauffällig die Hand sinken, stopfte den Schinken dem Erpresser in den Rachen und gab ihm einen Stups gegen die feuchte kalte Nase: Schluss, mehr gibt’s nicht. Sakidai verschwand im Nu.
    »Wenn ich die Vorschriften unserer rechtgläubigen Kirche mag«, sagte Krasnow, »dann weil ihre Diätvorschriften so wohl durchdacht sind. Das verzwickte System der Fasten und des Fleischgenusses nach dem Fasten ist, medizinisch gesehen, eine ideale Hilfe für Magen und Darm. Nein wirklich, warum lachen Sie, ich meine es ernst! Das Fleischessen im Herbst und im Winter unterstützt die Ernährung in der kalten Jahreszeit, und die Großen Fasten reinigen den Darm vor der Pflanzennahrung im Frühjahr und im Sommer. Die rechtzeitige Darmentleerung ist der Eckpfeiler des intellektuellen und geistigen Lebens! Ich zum Beispiel kompensiere mein Nichteinhalten der Fastengebote durch allabendliche Klistiere mit Kamillenaufguss, was ich nur weiterempfehlen kann. Ich habe zu diesem Thema sogar einen Vierzeiler geschrieben:
    Warte mit dem Schlafen, Schöne!
Du hast Wichtiges vergessen:
Dir zur innren Reinigung
Die Kamille zuzumessen.«
    »Hol Sie der und jener, Kirill Nifontowitsch!«, rief lachend Frau Tatistschewa. »Hören Sie nicht auf ihn, Mütterchen, er ist bei uns der Anhänger des Fortschritts. Fährt mit dem Veloziped über die Wiese und erschreckt die Kühe. Und besuchen Sie ihn nie unangekündigt, er sitzt oft splitternackt auf dem Dach und nimmt Sonnenbäder. Pfui Schande! Und sehen Sie die Stoppeln rund um seine Glatze? Alle Jahre zu Beginn des Sommers rasiert er sich die Haare ab, damit sein Schädel atmen kann. Vor kurzem hat er sein Gut verpfändet, um von Sawolshsk bis zu sich nach Hause eine Telegraphenleitung zu legen. Und wissen Sie, wozu? Um telegraphisch mit dem Postmeister Dame zu spielen. Wenn er wenigstens gut spielen täte, aber nein, er verliert dauernd.«
    »Na und?« Krasnow war nicht beleidigt. »Ich spiele ja nicht aus Ehrgeiz, sondern um unsere Sawolshsker Wilden zu belehren. Sie sollen wissen, was Fortschritt ist. In Europa werden täglich neue Entdeckungen und Erfindungen gemacht, in Amerika bauen sie Häuser, die bis in die Wolken reichen, und unsere langschößigen Altgläubigen, die sich mit zwei Fingern bekreuzigen, laufen vor Lokomotiven davon und kneifen vor den Gaslaternen die Augen zu, um sich nicht mit der Teufelsflamme zu besudeln.«
    »Das stimmt, unsere Altgläubigen sind misstrauisch gegenüber dem Neuen, aber doch nicht alle«, trat Sytnikow für seine Landsleute ein. »Die Jungen wachsen nach, und bei uns hier ändert sich alles. Mich hat dieser Tage ein Kaufmann von der Sekte der Priesterlosen aufgesucht, Awwakum Silytsch Wonifatjew, um mir Wald zu verkaufen. Sie werden sich erinnern, bevor ich ihn begrüßen ging, habe ich hier beim Tee erzählt, dass er mit fünfzehn Jahren an eine dreiunddreißigjährige Frau verheiratet wurde. Pjotr Georgijewitsch, Sie waren nicht dabei, Sie hatten in Sawolshsk zu tun«, sagte er zu Telianow.
    Schirjajew nickte.
    »Gewiss, eine pikante Geschichte, passt zu den hiesigen Sitten. Bubenzow hat noch gesagt, die Staatsmacht will euer Altgläubigentum hier ausrotten, um Schluss zu machen mit dieser Barbarei. Und, haben Sie Wonifatjew den Wald abgekauft?«, fragte Schirjajew. »Wie viele Dessjatinen?«
    »Guter Wald, nur Kiefern. Knapp dreitausend Dessjatinen, bloß ziemlich weit weg, am Oberlauf der Wetluga. Eine Menge Geld hat er mir abgeknöpft, fünfunddreißigtausend. Aber das macht nichts, ich geb dem Wald noch zehn, fünfzehn Jahre zum Wachsen, dorthin wird gerade eine Schmalspurbahn gebaut, dann krieg ich dafür bestimmt dreihunderttausend. Aber darum geht’s nicht. Wonifatjew hatte

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