Alarm auf Wolke sieben
seinem Kopf, die ihn immer vor den Fäusten seines Vaters und den Kugeln seiner Gegner gewarnt hatte, läutete auch dieses Mal die Alarmglocken.
Wahrscheinlich wäre es am besten, er ginge zurück nach Denver und überließe Victoria und Esme wieder ihrem wohlstrukturierten Leben. Sollte sie die Kleine doch erziehen, wie sie wollte. Es war offensichtlich, dass sie eine tolle Mutter war.
Sosehr ihm die Idee auch gefiel – er wusste, er würde es nicht tun. Zumindest noch nicht. Gert hatte das Büro sehr gut im Griff, und er hatte alle Fälle aufgearbeitet, die in Denver seine Anwesenheit erfordert hätten. Außerdem musste er sich hier noch mit einer Reihe von Leuten unterhalten.
Und überhaupt: Die Frau, die ihn dazu brachte, den Schwanz einzuziehen und wegzulaufen, müsste erst noch geboren werden. Weder ein kleines Mädchen noch seine langbeinige Mutter würden das schaffen.
Lori hatte es vermutlich gar nicht so gemeint, aber er sah die Sache nun als Herausforderung an. Sie hatte ihm ja praktisch vorgeworfen, zu feige zu sein, um seine Tochter kennenzulernen. Schön, bisher hatte sie damit recht gehabt.
Es würde vielleicht noch ein bisschen dauern, bis er genug Mut aufgebracht hatte, aber John Mighonni war noch keiner Herausforderung ausgewichen.
5. KAPITEL
H allo, Schätzchen.“ Victoria bückte sich, um den verdrehten Schulterriemen von Esmes Rucksack zu richten. Sie sah in die dunklen Augen ihrer Tochter und musste über die Aufregung, die sie darin sah, lächeln. Sie zog den Saum des Flower-Power-Hemdchens über Esmes Baumwollshorts glatt und strich eine Locke zurück, die aus einem ihrer dicken Zöpfe entflohen war. „Hast du alles?“
„Mmh.“ Esme befreite sich aus den Händen ihrer Mutter. „Alles ist in Ordnung, Mami“, sagte sie ungeduldig. „Wann kommt Rebecca denn endlich? Ich warte schon eeewig!“
„Mindestens fünf Minuten.“ Victoria musste sich beherrschen, um nicht zu lachen. Sie hörte, wie jemand die Treppe heraufkam, und gab Esme einen liebevollen Klaps. „Das sind bestimmt Rebecca und ihre Mama.“
Anstatt des erwarteten Klopfens öffnete sich die schwere Tür wie von selbst. Sonnenlicht ergoss sich in die Vorhalle. Dann wurde die Tür geschlossen, und John stand da. Sein Gesicht zeigte Verärgerung, aber als er Tori und Esme sah, verschwand der Ausdruck. Seine Augen waren zwar noch immer wachsam, aber sein Mund verzog sich zu einem höflichen Lächeln.
Das falsche Lächeln irritierte Victoria maßlos. Meine Güte, er kam ihr heute mehr wie ein Soldat vor als vor sechs Jahren, als er noch aktiv gewesen war. Damals hatte er sich wenigstens nicht davor gescheut, Gefühle zu zeigen. Sein Gesichtsausdruck war immer ehrlich gewesen. Heute konnte sie ihm nicht mehr ansehen, was er dachte.
„Hallo, Mr. Miglondoanni.“
Victorias Herz zog sich krampfhaft zusammen, als sie den erwartungsvollen Blick sah, den ihre Tochter dem Mann zuwarf, der sie gezeugt hatte. Es gelang ihr jedoch, ganz ruhig zu bleiben. „Es heißt Miglionni, Schätzchen.“
„Es ist so oder so ganz schön schwierig, vor allem wenn man noch so klein ist.“ John lächelte Esme an, und diesmal war es ein ehrliches, warmes Lächeln. „Anstatt dir mit all den Buchstaben die Zunge zu verdrehen, kannst du mich doch einfach …“, er warf Victoria einen raschen Blick zu und räusperte sich, „John nennen. Das ist viel leichter.“
„Prima.“
Er hockte sich vor ihr hin und tippte mit einem langen schlanken Finger die bezopfte sommersprossige Puppe an, die aus Esmes Rucksack herausschaute. „Wer ist das denn? Deine Schwester?“
„Nein, Dummkopf, das ist meine American-Girl-Puppe. Ihr Name ist Molly.“
„Sie ist sehr niedlich.“ Er zögerte und räusperte sich noch einmal. Seine Unsicherheit versetzte seiner gewohnten Frauenheld-Aura einen Dämpfer. „Fast so niedlich wie du“, fügte er hinzu, und schenkte ihr ein so süßes, warmherziges Grinsen, dass Victoria die Luft wegblieb.
Esme kicherte hocherfreut und stupste ihn kokett mit einem Finger an. Er hinterließ nicht die kleinste Delle in dem weichen Stoff, der sich über Johns Brust spannte. „Gefällt dir ihr Kleid?“
„Na klar. Es ist sehr … äh, blau.“
„Es ist wunderhübsch, nicht wahr? Mami hat es im Innernet bestellt.“
„Internet, Esme.“
„Mmh.“ Die Kleine sah sie nicht einmal an. Ihre leuchtenden Augen ruhten auf Rocket. „Ich bin mit Rebecca Chilworth verabredet. Sie und ihre Mami wollten mich abholen, aber sie
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