Alasea 01 - Das Buch des Feuers
verblasste zu einem unbestimmten Schein. Ihre letzten Worte zogen sich wie ein Schweif durch die Luft, während das Licht von den Schatten der Bibliothek verschluckt wurde. »Ich liebe dich, Bol.«
»Leb wohl, Schwester«, murmelte er in den Raum, der jetzt noch viel leerer und einsamer war als zuvor.
Elena eilte zu ihrem zappelnden Bruder. Die Zeit schien sich zu verdicken und zu verlangsamen wie der zähe Saft eines Winterahorns. Sie sah, wie sich Joachs Gesicht purpurrot färbte, während seine Kehle von den Klauen des Skal’tums zugedrückt wurde. Elena tat einen Satz und packte das Geschöpf am Gelenk der vorderen Gliedmaßen; ein Schrei verharrte in ihrer Brust. Blind vor Angst, grub sie die Finger in die klamme Haut des Ungeheuers; sie weigerte sich, ihren Bruder zu verlieren. »Loslassen!« schrie sie der Welt zu.
Als Antwort darauf brach ihre Hand in Flammen aus. Hitze wie von der Berührung mit geschmolzenem Stein entströmte ihren Fingern. Sie ballte die Hand zur Faust und spürte, wie ihre Finger durch das Gelenk des Ungeheuers hindurchglitten - durch Haut, Muskeln und Knochen.
Das Geschöpf heulte auf und zog die Gliedmaße weg - von der nur ein versengter Stumpf übrig war. Kreischend und angesichts der Verstümmelung in panischen Schreck versetzt, taumelte es von Elena und ihrem Bruder weg.
Joach stolperte vorwärts und riss sich die abgetrennte Gliedmaße vom Hals. Er warf sie auf die Straße. »Süße Mutter!« keuchte er und rannte auf Elena zu.
Elena betrachtete ihre Hand und erwartete, geschwärzte Knochen und verbranntes Fleisch zu sehen, aber alles war wie immer - nicht einmal eine Spur des roten Flecks war geblieben. War sie von diesem Fluch befreit?
»Lauf, Elena!« schrie Joach und zerrte sie zu den verkohlten Balken der Bäckerei.
Doch das heulende Ungeheuer war nicht die einzige Bedrohung auf dieser Straße.
Joach hielt schlitternd inne und zog Elena an sich. Zwischen ihnen und der Flucht stand der Kapuzenmann, auf seinen Stab gestützt. Sein Gesicht war zu einem Lächeln verzogen, als ob alles ganz nach seinem Geschmack verlaufe.
»Komm zu mir, Kind. Ich habe lange genug gewartet.« Mit erstaunlicher Schnelligkeit peitschte er die Spitze seines Stabs auf Elenas Kopf zu.
Elena, deren Geist immer noch benommen war von der Kraft, die durch ihre Hand geströmt war, erkannte die Gefahr nicht sofort.
Sie stand wie erstarrt da, bis Joach sie kraftvoll zur Seite stieß. Mit einem Japsen stürzte sie auf die Straße, und ihre Knie schlugen auf die harten Pflastersteine. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Stab Joach einen heftigen Schlag auf die Schulter versetzte.
Nun erkannte sie das volle Ausmaß der Gefahr; sie rappelte sich auf und rannte davon. Joach jedoch folgte ihr nicht. Elena hielt im Laufen inne und starrte voller Entsetzen zu ihrem Bruder zurück, dessen Oberkörper die Beine in Bewegung zu setzen versuchte, aber wie zwei verwurzelte Bäume wollten sie ihm nicht gehorchen.
Er blickte auf, Entsetzen in den Augen, und sah Elena. »Lauf!« brüllte er.
Sie schwankte, als sie sah, wie die Verhexung sich im Körper ihres Bruders ausbreitete. Jetzt konnte er nicht einmal mehr die Arme bewegen, und einen Herzschlag später waren auch sein Hals und sein Kopf von der Erstarrung befallen. Nur eine einzige Träne rann ihm über die Wange.
»Du lässt deinen Bruder im Stich, mein Kind?« Der Mann winkte sie mit einem knorrigen Finger zu sich. »Komm!«
Stadtbewohner flohen an Er’ril vorbei, während er sich einen Weg zu der Stelle bahnte, woher die Schreie kamen. Wie ein Stein in einem schnell fließenden Fluss wurde er von Ellenbogen und Knien angestoßen und kam nur mühsam voran. Schließlich machte Kral einen Vorstoß und benutzte seinen massigen Körper, um einen Pfad vor sich freizuräumen.
Einer der Städter - Er’ril hielt ihn aufgrund seiner blutverschmierten Schürze für einen Metzger - wollte Kral zur Seite stoßen, aber mit einem Schulterzucken des Mannes aus den Bergen flog der dicke Kerl aus dem Weg. Sein Kopf prallte gegen eine Ziegelmauer, und er fiel schlaff zu Boden. Kral schenkte ihm keine weitere Beachtung und setzte seinen Weg fort.
»Lauft weg!« schrie ihnen ein anderer Städter zu. »Der Dämon ist gekommen!«
Kral warf Er’ril einen eindringlichen Blick zu, dann eilte er weiter. Er’ril, dichtauf gefolgt von Ni’lahn, lief im Kielwasser des Mannes aus den Bergen. Bald leerte sich die Straße um sie herum, da sie die flüchtende Menge
Weitere Kostenlose Bücher