Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
wirklich nicht, wo er ist?«, sagte sie. »Ich auch nicht, und ich bin schon ganz krank vor Sorge. Dass er einfach so verschwindet, sieht ihm gar nicht ähnlich.«
»Weswegen hatte er Angst?«, fragte Milo.
Ihre Antwort kam zu schnell. »Ich weiß es nicht.«
Wir warteten.
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Juliet Harshberger.
»Wo haben Sie vorher studiert?«
Das brachte sie aus dem Konzept, aber sie murmelte: »An der Brown.«
So viel zu dieser Regel.
»Sind Sie von dort aus direkt ans Caltech gegangen?«
»Ich habe mir ein Jahr freigenommen.«
»Für die Laborarbeit?«
»Ich war auf Reisen. Wieso interessiert Sie das?«
»Ich reise gern«, log Milo. »Wo waren Sie?«
»In Europa, Südostasien.« Sie stockte einen Moment. »In Afrika.«
»Eine Weltreise?«
Schweigen.
»Klingt gut.«
»Ich musste das noch ausnutzen«, sagte sie. »Bevor die Schinderei anfing.«
»Die Doktorandenausbildung ist hart.«
»Die Doktorandenausbildung an diesem Institut ist …« Sie bekam wieder feuchte Augen. »Hier sind lauter Genies, bis auf mich.«
»Ich wette, Sie haben die Brown mit summa cum laude abgeschlossen«, sagte Milo.
Juliet Harshberger mahlte mit den Zähnen. »Für die Brown war ich gut genug. Hier bin ich unterster Durchschnitt.« Sie warf einen Blick zur Seite. »Trey ist ein Genie. Er ist mein Rettungsanker gewesen.«
»Und jetzt hat er Angst bekommen und ist verschwunden.«
Sie weinte wieder. Er reichte ihr ein weiteres Taschentuch. »Was geht hier vor, Juliet?«
»Nur Julie.«
»Erzählen Sie mir davon, Julie.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Was ist, wenn er in Gefahr schwebt, Julie?«
»Sagen Sie bitte nicht so etwas.«
»Ich bin mir sicher, dass Trey Ihnen von dem Mord erzählt hat.«
Julie Harshberger griff nach der Katze. Das Tier wälzte sich weg und tat so, als schliefe es weiter. »Omarine, du bist so was von faul.«
»Was hat Trey Ihnen über den Mord erzählt, Julie?«
»Dass Sie zu ihm gekommen sind und ihn verhört haben.«
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Damals«, sagte sie. »Gleich nachdem Sie gegangen waren, kam er hierher. Am nächsten Tag habe ich nichts von ihm gehört, aber manchmal arbeitet er bis spät in die Nacht im Labor. Erst gestern Abend habe ich vorbeigeschaut, weil wir zum Essen verabredet waren, aber er war nicht da. Ich wollte mit ihm zum Parkside Grill gehen, meinem Lieblingsrestaurant. Seitdem ist er nicht zurückgekommen, er war auch nicht im Labor, und sein Handy ist ausgeschaltet.«
»Weshalb hatte er Angst, Julie?«
»Ich – ich kann nicht.«
»Wir wissen über den Betrug bei der Collegeaufnahmeprüfung Bescheid.«
Sie sperrte den Mund auf.
Milo sagte: »Ja, das war ein Fehler, aber bedenken Sie eins: Trey hatte so viel Angst, dass er sich abgesetzt hat. Wenn Sie ihn also decken und uns bei unserer Arbeit behindern, könnte das gefährlich für ihn werden. Wann hat er Ihnen davon erzählt, Julie?«
»Vor ein paar Monaten«, sagte sie. »Es hat ihm zu schaffen gemacht. Sie hat ihn dazu überredet.«
»Elise Freeman.«
»Er hat gesagt, für schnell verdientes Geld würde sie alles tun.«
»Sie hat Trey engagiert, weil er als Oberschüler durchgehen könnte.«
»Außerdem war er ein Ehemaliger.«
»Von der Windsor.«
Sie nickte.
»Das war wichtig, weil …«
»Weil alle Schüler, für die er angetreten ist, von dort waren.«
»Elise Freeman hat sich auf Schüler von der Windsor beschränkt.«
»Sie hat Trey gesagt, dadurch wäre die Sache ganz einfach. Schließlich hatte sie von dort jede Menge Aufträge.«
»Wer sich dort auszeichnen will, steht unter immensem Druck.«
Sie verzog das Gesicht. »Ich war in Houston auf so einer Schule, bis ich es nicht mehr ertragen habe und darauf bestand, dass man mich auf eine öffentliche Schule schickt.«
»Ein hartes Umfeld.«
»Brutal, herzlos, selbstsüchtig. Elise und ein Typ, mit dem sie zusammen war, haben das ausgenutzt.«
»Ein Typ?«
»Trey sagte, ein absoluter Widerling. Wenn man ihm die Hand schüttelt, müsse man hinterher seine Finger zählen.«
»Wie viele Klausuren hat Trey für Schüler der Windsor geschrieben?«, fragte ich.
»Woher soll ich das wissen? Ich möchte nicht darüber reden.«
»Aber mit Trey konnten Sie darüber reden.«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte sie. »Wir haben darüber gesprochen, wie armselig die Welt geworden ist, und er hat das als Beispiel dafür angeführt.«
»Für …«
»Für Dummheit und
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