Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Spaß machte und er zweitens dann nicht mehr wüsste, woher er seine Inspirationen nehmen sollte.
Es war einfach unglaublich, wofür Menschen einen Detektiv engagierten und sich in Unkosten stürzten. Ein Schrebergärtner verdächtigte seinen Nachbarn, aus Neid seine ehemals so phantastisch gedeihenden Tomaten langsam zu vergiften, und ließ sich den Beweis zweitausend Euro kosten. Fünf Tage hatten Angestellte der Detektei seinen Garten rund um die Uhr observiert, um den Übeltäter schließlich tatsächlich zu überführen. Nicht auszudenken, wie viele Tonnen Tomaten erster Qualität der Auftraggeber für das Geld hätte kaufen können.
Ein Ehemann verdächtigte seine Frau, heimlich den gemeinsamen Sohn finanziell zu unterstützen, mit dem er sich zerstritten hatte. Am Ende hatte er zwar nichts gespart, aber recht behalten. Darum ging es offenbar oft bei Pretorius’ Aufträgen: Jemand wollte – koste es, was es wolle – recht behalten.
Und als wir um kurz vor zwei schon in der Tür standen, Susi hatte uns bereits mehrfach umarmt und verabschiedet, da hatte der tüchtig betrunkene Detektiv seine Hand schwer auf meine schwankende Schulter gelegt.
»Und manche, lieber Alexander, du wirst es nicht glauben, manche geben sogar eine Stange Geld dafür aus, dass ich ihre entlaufene Putzfrau aufspüre. Als wären nicht jeden Tag hundert Anzeigen in der Zeitung: Polin sucht Arbeit. Putzfrauen kann man doch jeden Tag Hunderte finden, oder nicht?«
Jetzt, endlich, war mir klar: Pretorius wollte mir, vielleicht in einem Anflug von alkoholbedingter Kollegialität, mitteilen, dass er für Muriel Jörgensen deren verschwundene Putzfrau Iva gesucht hatte. Und vermutlich hatte er sie auch gefunden, denn seine Auftraggeberin hatte ja anstandslos die unanständig hohe Rechnung bezahlt.
Nur kurz ärgerte ich mich darüber, dass er offenbar in wenigen Stunden geschafft hatte, wozu meine Truppen trotz aller Technik nicht imstande waren.
Nach dieser Erkenntnis war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich zog meinen Bademantel über, setzte mich in die kalte Küche und notierte auf der Rückseite eines alten Einkaufszettels, was ich über Muriel Jörgensens entlaufene Perle wusste. Nichts, stellte sich heraus. Sie hieß Iva und hatte sich nicht nur um die Sauberkeit des Hauses, sondern auch um Tim gekümmert. Der Name und die geheimniskrämerischen Umstände ließen vermuten, dass es sich auch hier um einen Fall von illegaler Beschäftigung handelte. Eine Ausländerin ohne Aufenthaltserlaubnis. All das würde sich herausfinden lassen. Was Pretorius schaffte, sollte doch wohl auch uns gelingen. Allerdings nicht jetzt, denn es war mitten in der Nacht.
So ging ich schließlich wieder ins Bett, knipste das Licht aus und drehte mich auf meine Einschlafseite. Aber es half nichts. Eine halbe Stunde später saß ich erneut in der Küche und wartete darauf, dass an der Espressomaschine das grüne Lämpchen aufleuchtete. Kam die Putzfrau wirklich als Entführerin infrage? Mit Gundrams Verschwinden hatte sie nachweislich nichts zu tun. Andererseits war es schon ein merkwürdiger Zufall, dass sie in zwei Familien gearbeitet hatte, deren Söhne entführt wurden. Und beide Male war sie danach nicht wieder zur Arbeit erschienen, fiel mir plötzlich auf. Wobei beide Mütter behaupteten, sie entlassen zu haben.
Sollte Iva Tim wirklich entführt haben, dann hätte Pretorius sie wohl nicht so leicht gefunden. Auf einen Stundensatz von dreihundert Euro war er gekommen bei diesem Auftrag, hatte er mir vorgerechnet. Eine Kidnapperin, die sich mit ihrem Opfer versteckt hält, spürt auch der talentierteste Detektiv der Welt nicht in weniger als fünf Stunden auf.
War die geheimnisvolle Iva nur eine Mitwisserin? Eine Komplizin, die die notwendigen Informationen beschafft hatte, um anschließend zu verschwinden? Das klang schon eher glaubhaft.
Der Espresso schmeckte bitter, so früh am Morgen.
Wie sollte ich vorgehen, wenn es endlich hell war? Und warum war ich so aufgedreht? Was war eigentlich so sensationell an der Erkenntnis, dass Frau Jörgensen ihre Putzfrau zurückhaben wollte?
Draußen war es windstill, und es schien wieder einmal zu regnen. Die Temperatur fiel von Tag zu Tag um ein, zwei Grad, und wenn das so weiterging, dann würden die Heidelberger demnächst Schnee schippen dürfen.
Ich machte mir einen zweiten Espresso. Dieser schmeckte schon besser. Um halb sechs klappte unten die Haustür, und ich hätte mir die Zeitung holen können,
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