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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Stadium sprechen zu lassen. „Kennst du den: Warum sehen Kühe so traurig aus? Hat Abu Zar, ich meine, der echte, dein Freund in Schweden, dir früher ab und zu schmutzige Witze erzählt? Oder hat er gedacht, dass Lachen schlecht für die Gesundheit der Nation ist? Also: Ein Mann fragt eine Kuh: Warum guckst du immer so traurig? Die Kuh: Du wärst auch traurig, wenn dir jemand zwei Mal am Tag die Titten massiert, du aber nur einmal im Jahr besprungen wirst.“
    Nicht-Abu-Zar nickt und spricht leise, aber deutlich. „Sie müssen mir glauben. Ich war der Fahrer. Abu hat gesagt ‚Du kannst mein Motorrad fahren‘, und mehr habe ich nicht getan. Ich habe noch nie eine Waffe angerührt.“
    Plötzlich ärgert Teddy sich über die Sturheit des Jungen. Zu dieser nächtlichen Stunde verliert normalerweise jeder die Fähigkeit zu denken, aber dieser Knabe ist entschlossen, die Welt bis zum Ende zum Narren zu halten. Und tut nicht mal so, als würde er mitspielen. Teddy hatte Leute hier, die ihm herzzerreißende Geschichten darüber erzählten, wie sie als Kinder missbraucht worden waren. Einige hat er so weich bekommen, dass sie schon wieder Picknickausflüge und Rache planten, wenn die Nacht vorüber wäre. Und wenn gar nichts funktionierte, erzählte er ihnen Cricket-Witze über Imran Khan und seinen echten Prügel, sodass sie lachten, bis ihre Folterwunden anfingen zu bluten und Teddy sie beruhigen musste. Aber dieser Junge schien keinerlei Sinn für Humor zu haben.
    Teddy beugt sich vor und flüstert ihm ins Ohr. „Und warum hat Abu Zar es getan? Hat jemand ihn bezahlt? Vielleicht will er seine zweiundsiebzig Jungfrauen? Hat er dir das erzählt? Aber vergiss nicht, die zweiundsiebzig werden sehr bald traurig sein. Und Abus Fahrer, bekommt der gar nichts? Was hast du mit ihm ausgehandelt? Dass du zusehen darfst, wenn er die zweiundsiebzig vögelt?“
    Nicht-Abu-Zar wirft ihm einen gekränkten Blick zu. Als hätte er in Teddy einen Freund gesehen und derart schmutzige Andeutungen nicht von ihm erwartet. Nicht-Abu-Zar bugsiert sich in eine Gebetshaltung, faltet die gefesselten Hände im Schoß und beginnt, die Sure Yasin zu rezitieren. Verzweifelt schaltet Teddy seine Taschenlampe aus. Sie fahren jetzt durch ein niedriges Dickicht, Äste peitschen gegen die Seiten des Wagens.
    Teddys Kenntnisse, zu welchem Anlass welcher Koranvers zu sprechen ist, sind verschwommen und stammen aus zweiter Hand, aber selbst er kennt diese Sure. Sie wird am Totenbett gesprochen, um der Seele den Übergang zu erleichtern, denn eine Seele, die den Körper verlässt, ist wie ein feiner Seidenschal, der durch dorniges Buschwerk gezogen wird. Die Sure wird gesprochen, um dem Todesengel die Hand zu führen. Sie ist mitunter auch in den Gängen des Herz Jesu zu hören. Auch den Gefangenen in der Todeszelle wird manchmal der Besuch einer Person gestattet, die die Sure rezitieren kann.
    Dieses Wissen hat Teddy von einem Freund, der zufällig auch Yasin hieß. Er hatte in Kaschmir gekämpft und wurde bei seiner Rückkehr als Held gefeiert, weil er einen abgetrennten, mit einem Turban umwickelten Kopf mitbrachte, von dem er behauptete, er habe einem indischen Major gehört. Teddy hat den Kopf nicht gesehen, aber die, die ihn gesehen hatten, sagten, der indische Major habe auch im Tod noch sehr ängstlich ausgesehen. Yasin ging wieder nach Kaschmir oder vielleicht an einen anderen Ort, der befreit werden musste, und kehrte nie mehr zurück. Keiner hatte je wieder etwas von ihm gehört. Niemand brachte seinen Leichnam oder wenigstens seinen Kopf zurück. Es war, als wäre nichts von ihm übrig geblieben. Yasin war ein treuer Freund und hatte einen ausgeglichenen Charakter. Er kannte nicht nur die passenden Suren für jede Gelegenheit, sondern wusste auch eine Menge über Aktienmärkte, Ölpreise und die neuesten von der NASA entwickelten Technologien. Er hatte einen inneren Kern, den dieser Nicht-Abu-Zar auch zu haben scheint.
    Wie jeder Profi, der etwas auf sich hält, fühlt Teddy sich in einer solchen Lage als Versager. Dieser Junge, der in Ketten gelegt auf dem Boden des dahinrasenden Hilux sitzt, rezitiert Verse, die seinen eigenen Tod einleiten. Teddy spürt, dass er etwas besitzt, das er selbst niemals haben wird: einen Kern, der ihm einen Mittelpunkt verleiht und ihn von der Furcht vor dem Tod befreit. Nicht-Abu-Zar spielt vielleicht ein Verwirrspiel mit dem G-Korps, aber er weiß, woher er kommt und wohin er geht. Möglicherweise irrt er sich

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