Alicia II
Wieso?«
»Der Gründe sind zu viele, als daß ich sie katalogisieren könnte. Nehmen wir nur einmal die augenblickliche Situation. Okay, du meinst, du brauchst einen neuen Körper oder eine dem ähnliche Lösung.«
»Natürlich. Was hat das …«
»Du bist immer auf einfache Lösungen aus gewesen. Manchmal steckt eine romantische Einstellung dahinter, die einem beinahe zu Herzen gehen könnte – aber, o Gott! auch welch eingleisiger Verstand! Vielleicht liegt das an der Art, wie du dich bedenkenlos von den sonst allgemein gültigen Begriffen abkehrst. Das Leben ist nicht so, wie du es gern hättest, also ziehst du dich mit einer netten jungen Frau in eine unterirdische Enklave zurück und tauchst nur gelegentlich wieder auf, um dich zu vergewissern, daß die Welt sich immer noch nicht verändert hat, daß sie deinen Bedürfnissen immer noch nicht entspricht. Dann beginnt dein neues Leben, und bei der Erneuerung geht etwas schief. Okay, es war nicht zu reparieren, es war eine kleinere Katastrophe. Was tust du? Führst du deine Reserven an Mut ins Treffen, die dich berühmt gemacht haben? Nein, du läufst zu den Sternen davon, kämpfst gegen unheimliche Wesen, zementierst dir ein Image, das überhaupt keinen Bezug auf die Realität hat. Von neuem suchst du eine Lösung für ein Problem zu finden, das im Grunde nur deine Unzufriedenheit mit dem dir zugefallenen Los ist, indem du die Gegebenheiten änderst. Man könnte auch sagen, du änderst den Kontext, um dein Leiden nicht akzeptieren zu müssen, du dichtest dein Leben zu einem kosmischen Melodram um …«
»Ben …«
»Gut, gut, damit bin ich zu weit gegangen. Ich lasse mich fortreißen. Okay, du kommst zurück, triffst Alicia wieder, steigerst deine Liebe zu dramatischen Proportionen, und dann kommst du zu mir und verlangst einen neuen Körper, beziehungsweise die Möglichkeit, einen neuen Körper zu erhalten. Naiv? Das ist beinahe kindisch, Voss.«
»Das mag sein, aber was hast du …«
»Sei ruhig. Okay, nehmen wir einmal an, ich kann dir einen neuen Körper verschaffen. Was willst du mit ihm machen, abgesehen davon, daß du dann deinen Appetit auf deine einzig Geliebte stillen wirst? Wenn sie dich läßt. Denke an ihre Einstellung zum Erneuerungsprozeß, an ihre Ideale.«
»Wieso weißt du so verdammt viel über Alicia, wieso …«
»Ich kenne sie vielleicht etwas besser, als du vermutest, mein Freund. Wie dem auch sei, denk über sie nach. Denk zur Abwechslung über Alicia nach. Wirst du in deinem neuen Körper – den du dir nicht vorher aussuchen kannst, vergiß das nicht! – so wunderbar sein, daß sie dir an den Hals fliegt, dankbar dafür, in ihrem Leben und ihrem Bett einen heilen, unbeschädigten, männlichen, ernsten und romantischen jungen Vossilyev willkommen heißen zu können? Beantworte mir das.«
Seine Stimme klang zorniger, als ich es an ihm gewöhnt war.
Was er sagte, vermischte sich in meinem Geist mit dem, was Alicia im St. Ethel-Camp gesagt hatte, als habe Ben jetzt ihre Bemerkungen über meine psychische und soziale Impotenz für mich klargestellt, indem er mich als naiv bezeichnete. Es konnte nicht wahr sein. Ich war zu intelligent, mir der Folgen zu stark bewußt, zu sehr Herr meiner Gefühle. Plötzlich fiel mir ein, was sich ein naiver Mensch darunter vorstellen würde.
»Vielleicht hast du recht, Ben«, räumte ich ein. »Vielleicht wäre ein neuer Körper der falsche Weg. Aber ich bin verzweifelt.«
»Voss, ich möchte nicht unfreundlich sein. Möglicherweise bist du in deinem glänzenden neuen Körper wirklich so wunderbar, daß du Alicia von neuem eroberst, ich weiß es nicht. Auch sie scheint ein bißchen romantisch veranlagt zu sein. Alles kann passieren – zum Beispiel kann, was du nicht vergessen darfst,
Weitere Kostenlose Bücher