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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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so offen und hässlich, als hätte er die Verletzung erst gestern erlitten. Drei Mahlzeiten am Tag und dazu die abendliche Unterhaltung, so steif und gestelzt sie auch sein mochte, waren ihm inzwischen sehr angenehm geworden.
    Des Pfeifers schwere Stiefel trampelten hörbar über die Treppe vor seiner Tür. Dem traditionellen leisen Klopfen folgte ein überraschendes »Bailic? Dürfte ich eintreten? Ich habe eine Bitte«.
    Bailic drehte sich mit hochgezogenen Brauen um. »Kommt herein«, rief er, ohne sich vom Balkon fortzurühren.
    Nach kurzem Zögern schwang die Tür nach innen auf. Der Pfeifer stand unbeholfen auf der Schwelle, die er offenbar nur ungern überschreiten wollte. Er hielt Bailics Mittagstablett in Händen.
    »Hier«, sagte Bailic, dem wieder einfiel, dass er ja liebenswürdig und gastfreundlich sein wollte. »Lasst mich Euch das abnehmen.« Bailic ging zur Tür, nahm das Tablett und stellte es auf seine Werkbank.
    Der große Tiefländer trat von einem Fuß auf den anderen und zog ein Bündel Stoff unter einem Arm hervor.
    »Es riecht köstlich, wie immer«, sagte Bailic und überspielte seine Ungeduld, indem er sich ein Glas Wasser einschenkte. Er lehnte sich mit dem Glas in der Hand an die Werkbank. »Bitte«, sagte er freundlich und bedeutete dem Mann weiterzusprechen.
    »Salissa und ich waren in den Tunneln«, sagte der Tiefländer, den Blick auf den Balkon gerichtet.
    »In den Kellern?«, fragte Bailic und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Die beiden waren umtriebig.
    »Ja«, erwiderte der Mann hastig. »Ich würde Euch gern einen Handel vorschlagen.«
    Bailics Atmung beschleunigte sich. »Sucht Ihr dort vielleicht nach etwas Bestimmtem?« Einem Buch zum Beispiel?, fügte er im Stillen hinzu.
    »Stoffe, Leder und Ähnliches«, sagte der Mann. »Salissa würde gern ein paar neue Sachen schneidern, damit wir vorbereitet sind, wenn wir im Frühjahr Weiterreisen.«
    Bailic nickte. Der Tiefländer war schlau und tanzte geschickt um seine Worte herum. Das würde Bailics Triumph umso köstlicher machen, wenn er den Mann zur Strecke brachte. »Was könntet Ihr mir anbieten?«, fragte er in gespielter Betrübnis. »Ihr steht bereits in meinen Diensten.«
    Der Blick des Mannes wurde wacher. »Ich habe nur diese erbärmlichen Kleinigkeiten«, sagte er, trat ein und breitete sein Stoffbündel auf der Werkbank aus.
    Bailic beugte sich darüber und bemühte sich, ob der jämmerlichen Ansammlung nicht verächtlich zu lachen: ein Beutelchen Salz, ein Messer, ein paar Würfel, ein Stück geknotete Schnur, zwei Muscheln, ein gesprungener Spiegel, ein verschlossener Tiegel aus Stein und ein Fußglöckchen von der Küste, das hierzulande nicht einmal das Metall wert war, aus dem es bestand. Alberner Tand. Er hoffte, dass der Pfeifer noch etwas hatte, das er zurückhielt, denn dies hier war nichts.
    »Messer und Knoten habe ich bereits, auch wenn Ihr gute Stücke bietet«, sagte Bailic leise und wühlte mit spitzen Fingern in dem Häuflein herum. »Habt Ihr sonst nichts, was Ihr möglicherweise …« Er erstarrte, als seine Fingerspitzen den steinernen Tiegel berührten. Er spürte einen Anflug von freier Energie, nur ein Flüstern, mehr nicht. Eine Quelle?
    Bailic schluckte seine Aufregung hinunter, nahm den Tiegel zur Hand und hielt ihn sich dicht vor die Augen. »Erzählt mir mehr über dieses Stück«, hauchte er und blickte verärgert auf, als der Tiefländer ihm den Tiegel einfach aus der Hand pflückte.
    »Dies?«, sagte der Mann, nun in dem Tonfall und mit den typischen Ausdrücken, die beim Feilschen verwendet wurden. »Dieses grob bearbeitete Gefäß ist wahrlich nichts Besonderes. Das schlechteste Stück meines gesamten Angebots. Zu nichts weiter gut, als höchstens Pferdebalsam darin aufzubewahren.«
    Bailic legte die Hände auf den Rücken, um seiner Gier nicht nachzugeben und den Tiegel wieder zu nehmen, den der Pfeifer ihm nun hinhielt. Das nachsichtige Lächeln, das der Tiefländer zur Schau trug, machte Bailic rasend. Er wusste, dass er seinen Vorteil verspielt hatte. Er hatte sich seine Gefühle ansehen lassen. Doch er musste diesen Tiegel haben.
    »Im Augenblick befindet sich eine Salbe darin«, fuhr der Pfeifer fort. »Wertloses Zeug aus dem Hügelland. Ich könnte Euch den Tiegel keinesfalls überlassen, ehe ich ihn geleert habe. Lasst mir nur einen Augenblick Zeit, damit ich die Salbe ent–«
    »Nein!«, rief Bailic und riss entschlossen die Hände zurück, die sich zu dem Tiegel

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