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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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nicht.
    Sogleich wandte sie sich den Reihen der männlichen Namen zu und suchte nach Nutzlos. »Talo-Toecan«, sagte sie lächelnd. Nach seinem Namen war noch ein gutes halbes Dutzend notiert, doch es war der letzte, der ihre Aufmerksamkeit erregte. »Connen-Neute«, sagte sie stirnrunzelnd. Nutzlos hatte ihr erzählt, dass er verwildert war, und um seinen Namen war ein Kreis in den Stein geritzt, der bei den meisten anderen fehlte. Alissa zog die Brauen zusammen und überlegte, dass das eine Art Kennzeichnung sein musste.
    Sein Name war der letzte auf der männlichen Liste, und sie betrachtete ihn eine ganze Weile, bevor sie auf die Idee kam, sich hinzusetzen, um ihn auf Augenhöhe sehen zu können. Es erschien ihr nicht richtig, dass der letzte Meister, dessen Name auf der Mauer stand, als verwildert gekennzeichnet war. Aus schierem Widerspruchsgeist zückte sie ihr Messer und kratzte den Namen »Nutzlos« dahinter in den Stein.
    Mit dem Ergebnis zufrieden, stand sie auf und stieg auf die Mauer. Sie hielt die Fackel hoch und verrenkte sich den Kopf, um an die Decke zu starren. Die zusätzliche Höhe durch den Brunnenrand half, denn nun konnte sie erkennen, dass der Stein mit Bildern von Rakus verziert war. Alle hatten goldene Augen, nur einer braune, und sie wunderte sich über diese Ausnahme, während sie auf der dicken Mauer um die Zisterne herumging. Ihre Füße scharrten leise, und das Geräusch hallte von den Säulen und vom glatten Boden wider. Ihr kam ein Gedanke, und sie hob den Kopf und hauchte ein leises »Hallo-o-o«. Sie lächelte, als ihr Echo den Gruß flüsternd erwiderte. Sie holte tiefer Luft und rief erneut, lauter diesmal. Dann legte sie die Fackel hin und klatschte kräftig in die Hände, um das Intervall des Echos abzuschätzen. Ihr Papa hatte sie einmal an eine steile Felswand geführt und ihr gezeigt, wie sie es mit dem richtigen Tempo so klingen lassen konnte, als singe der Berg mit ihr gemeinsam. Sie lächelte bei der Erinnerung und begann zu singen, so dass ihre Stimme wild und vielfach von den Säulen und der Decke widerhallte. Sie hatte sich für ein Tavernenlied entschieden, das leicht zu singen war und keine besondere Stimme erforderte, um sich gut anzuhören. Bauern und Tiefländer kannten es gleichermaßen, obwohl beide jeweils ihre eigene Version hatten. Doch ganz gleich, ob es im Hochland oder im Tiefland gesungen wurde, es drehte sich stets um einen jungen Dummkopf, der auszog, sein Glück zu suchen, und in eine Notlage nach der anderen geriet.
     
    »Taykell war ein guter Junge,
    m it einem Hut und einem Gaul.
    Sechs Brüder hatt’ er obendrein,
    d er Jüngste war er, und nicht faul.
    Sein Vater sprach: ›Es tut mir leid,
    i ch hab dir nichts zu geben.‹
    Nun ohne Namen, wollt’ er es wagen
    d as blaue Meer zu sehen.«
     
    Alissas Augenbrauen hoben sich, und sie wandte sich der Dunkelheit zu, als sie das Echo ihrer Stimme hörte, in der tieferen Tonlage eines anderen Sängers.
     
    »Taykell suchte einen Schatz,
    s einen Namen zu vergolden.
    Denn der, mit dem er geboren,
    w ard ärmlich nun gescholten.
    Er hört’ von einem großen Schatz
    u nd gab sich nicht eher zufrieden.
    Kaum hatt’ er ihn, da gab er ihn hin,
    e inen kupfernen Ring zu schmieden.«
     
    Es ist noch jemand hier unten? , dachte sie. Und er hörte sich an wie Strell!

 
    – 20 –
     

    L odesh schob den dünnen Spitzenvorhang vor dem Fenster mit dem Zeigefinger beiseite. »Gut«, murmelte er, als er den morgendlichen Schnee herabwirbeln und alles mit dämpfender grauer Stille bedecken sah. Er hatte gehofft, heute zur Feste gehen zu können, und der Schnee würde helfen, seine Spuren zu verbergen. Er entschied, später zu essen, und packte rasch ein kleines Bündel. Dann steckte er eine Eichel für Alissa in seine Tasche und vergewisserte sich noch einmal, dass das Feuer richtig bedeckt war und das Haus seines Ziehvaters nicht in Rauch aufgehen würde, während er weg war. Im Gehen legte er aus alter Gewohnheit einen Bann auf die Tür.
    Er blickte zur Mitte der weiten Wiese und pfiff. Der scharfe Laut erstarb rasch im dichten Schnee. Lodesh verzog das Gesicht, drehte sich um und stapfte auf das westliche Ende der Stadt zu. Er fand es schrecklich, wenn er wieder einmal vergaß, dass er allein war. Er würde den weiten Weg zu Fuß zurücklegen müssen. Sein Pferd war längst nicht mehr, und die wilde Herde hatte die Wiese verlassen, als der Grundstein seiner verfluchten Mauer gelegt worden war. Seither

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