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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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ständig um die Herde herumsausen, mehr, als die feuchte, schmutzige Wolle. Dort hinein legen sie ihre Eier, aus denen Maden ausschlüpfen, die sich in das Fleisch des armen Tieres hineinfressen und oft ernsthafte Verletzungen, wenn nicht sogar den Tod verursachen. Aus diesem Grund war das, was wir hier taten, sehr notwendig, wenn die Arbeit auch nicht gerade angenehm war.
    Bevor wir nach Egerton zogen, hatten die Kinder manchmal, wenn wir an Weiden vorbeifuhren, auf denen Schafe kniend grasten, gerufen: »Seht, die beten!«
    Jetzt wußten sie inzwischen, daß in Wirklichkeit die Tiere an der Fußfäule erkrankt waren und daß ihnen die Hufe derart wehtaten, daß sie vor Schmerzen damit nicht mehr auftreten mochten. Bei der Behandlung muß man den überlangen Hufnagel abschneiden, das verfaulte Gewebe entfernen und die befallene Stelle mit einem Formaldehyd-Spray besprühen. Das war keine Angelegenheit für zimperliche Leute, aber es mußte eben gemacht werden.
    Mit dampfenden Teebechern erschien Shirley, als wir etwa die Hälfte hinter uns hatten. »Wie kommt ihr voran?«
    Ich empfand es als segensreiche Entspannung, meinen Rücken gerade machen und für ein Schwätzchen ein paar
    Minuten anhalten zu können. Johns Rückgrat war noch jung und elastisch, meins aber bereits steifer und tat weh.
    »Ganz gut, zum Mittagessen sind wir fertig.«
    Wir schafften es sogar noch etwas früher. Dankbar marschierte die Herde davon, einige humpelnd wegen unserer medizinischen Behandlung. Die stinkende Wolle und die Hornspäne fegten wir zusammen, stopften alles in einen Papiersack und verbrannten diesen anschließend auf dem Müllhaufen. Das Fett in der Wolle brachte das Feuer zum Zischen und Leuchten.
    »Ein notwendiger Job ist geschafft«, meinte John, reinigte das Schurmesser und hängte es anschließend wieder an seinen Platz an die Wand. »Und was muß heute nachmittag gemacht werden?«
    »Ich werd’ versuchen, einigen Papierkram zu erledigen. Ein großer Haufen hat sich angesammelt.«
    »Du brauchst eine Sekretärin.«
    »Wenn ich erst mal angefangen habe, geht’s. Und was hast du vor?«
    »Mein Freund Harvey hat heute frei. Wenn’s hier nicht noch was Besonderes zu tun gibt, wollte ich zu ihm rüber laufen.«
    »Hier ist bis zum Füttern und Melken am Abend nichts weiter zu tun, und das schaff’ ich auch allein, falls du bis dann nicht zurück bist.«
    Nachdem er gegangen war, setzte ich meine Brille auf und machte mich an den Papierkram. Schon längst hatten wir die Vorstellung begraben, daß wir damit nichts zu tun haben würden als Landwirte. Es war erstaunlich, welche Unmengen an überflüssigen Postwurfsendungen uns erreichten. Persönliche Briefe wurden allerdings mit Freude geöffnet und gelesen. Der Rest wanderte in verschiedene Schuhschachteln: Rechnungen, amtliche Schreiben und Verkaufswerbungen. Die Kinder lieferten mir eine hieb- und stichfeste Entschuldigung, um alles in die Schachteln zurückzulegen. Mit vor Erregung geröteten Gesichtern kamen sie den Weg heruntergelaufen.
    »Ganz große Neuigkeiten!« rief Vicky atemlos. »Ich bin im Gymnasium aufgenommen worden.«
    Das war für uns tatsächlich eine wunderbare Nachricht. Wie die meisten Eltern machten auch wir uns ernsthafte Sorgen um die richtige Erziehung der Kinder. Die große Umstellung, als wir von London aufs Land zogen, schien ihnen nicht geschadet zu haben. Dennoch waren wir erleichtert zu erfahren, daß Vicky die Voraussetzungen für einen Platz in der Schule mitbrachte, die wir für sie am besten hielten. Sie und Shirley tanzten fast in der Küche herum. Das muße gefeiert werden.
    Ein Telefongespräch unterbrach unser Vorhaben. Tim und Nan Roberts, deren Tochter mit Vicky in eine Klasse ging, hatten die gleiche erfreuliche Nachricht mitzuteilen. Was wir davon hielten, zu ihnen zu kommen, um gemeinsam etwas zu trinken und miteinander gemütlich zu plaudern? Wir fanden den Vorschlag großartig. Nach Art der Sennerinnen war Nan eine große vollbusige Frau und ein weiteres Mitglied der örtlichen Frauen-Mafia, alias Frauenverein.
    Es waren Pachtbauern. Sie hatten ihr Land — etwa hundertzwanzig Morgen — nebst dem einladend ausschauenden Bauernhaus aus roten Backsteinen und den Nebengebäuden von dem Gutsbesitzer unter Bedingungen gepachtet, die uns als Bauernhofbesitzer grün vor Neid werden ließen.
    Auf dem Soziussitz von Harveys kleinem Motorrad kam John zurück; beide boten sich an, Babysitter zu spielen. Nachdem wir also die Kühe etwa

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