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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Fort errichten und einen Proviant an Früchten und Gemüsen für den Winter einlagern, einige Männer zur Bewachung des Schiffes zurücklassen und uns selber mit einem Kanu nach Montreal zurückbegeben, wo wir unsere Entdeckung mitteilen würden. Wir zweifelten nicht daran, dann Unterstützung zu finden, um Faktoreien einzurichten, die Quellen des Stromes zu erforschen, einen Wasserweg zu suchen, der ihn über die Seen mit dem St.-Lorenz-Strom verbände, und vielleicht sogar Kanäle anzulegen.
    Die Fregatte wendete; langsam nahm sie Kurs auf den größten Mündungsarm, geführt von einem Kanu, das ihr den Weg weisen sollte; sie schwankte in ganzer Länge unter dem Druck des Wassers, das Strudel bildete. Im Augenblick, als sie in die Mündung einfuhr, gab es ein dumpfes Krachen: sie strandete an der Küste.
    «Kappt die Masten!» rief Carlier.
    Die Leute rührten sich nicht. Das havarierte Schiff schlingerte gefährlich, die schweren, drohenden Masten stöhnten auf und schwankten. Ich ergriff eine Axt und schlug zu. Carlier tat das gleiche. Die beiden Masten stürzten krachend um. Aber die Fregatte sank beharrlich weiter. Wir machten die Boote klar und brachten sie ans Ufer. Wir konnten auch einen Ballen Ware und ein paar Vorräte bergen. Aber nach Ablauf von zwei Stunden war unser Schiff untergegangen.
    «Wir fahren einfach den Fluß mit Kanus hinauf», versuchte ich Carlier zu ermuntern. «Was ist schon ein Schiff? Deine Entdeckung ist ein Vermögen wert. Wenn du es wünschst, wirst du bald über 20   Schiffe verfügen.»
    «Ich weiß», sagte er. Er blickte auf das Meer, das durch eine blaue Linie von der Flut gelben, verschlammten Wassers getrennt war. «Wir können nicht zurück», sagte er.
    «Und warum sollten wir auch zurück?» fragte ich.
    «Du hast recht», sagte er.
    Er schob seinen Arm unter meinen, und wir machten uns auf, uns einen trockenen Platz für unser Lager zu suchen.
    Den Morgen des folgenden Tages verbrachten wir mit Forellenfischen und Büffeljagd. Dann verteilten wir unsere Mannschaft auf die vier Kanus und begannen stromaufwärts zu fahren. Auf beiden Seiten des Flusses breitete sich eine einförmige Ebene aus. Carlier schien bedrückt.
    «Erkennst du die Landschaft wieder?» fragte ich.
    «Ich glaube, ja.»
    Am Ufer des Flusses standen die gleichen Rohrpflanzen mit den mattgrünen Wedeln, dann kamen die gleichen Gräser, Rankengewächse und Gruppen von Espen; Alligatoren schliefen im durchsonnten Schlamm.
    Vier Tage lang ruderten wir so dahin; am Nachmittag des fünften bemerkten wir ein Dorf; die aus Stampferde erbauten Wohnungen waren fensterlose Hütten mit einer großen, eckigen Tür. Ich war mir nicht bewußt, dies Dorf schon gesehen zu haben. Am Rande des Flusses winkten Indianer uns mit freundlichen Gebärden zu. Sie trugen weiße Lendenschurze, die durch eine mit zwei Quasten geschmückte Schnur befestigt waren.
    «Damals gab es vierzehn Tage von der Mündung aufwärts kein Dorf», sagte Carlier.
    Wir legten am Ufer an. Der Häuptling des Stammes empfing uns freundlich in seiner mit Lederschilden geschmückten Behausung; obwohl es draußen taghell war, wurde der fensterlose Raum durch Fackeln erhellt, die aus trockenem Schilfrohr geflochten waren. Carlier fragte den Häuptling nach dem Namen des Flusses, und er antwortete, sie hießen ihn den Roten Fluß; er fragte sie darauf, ob es in der Gegend noch einen anderen großen Strom gäbe, und der Häuptling sagte, daß sehr viel weiter nach Westen hin es einen anderen gäbe, der breiter und länger sei als alle bekannten Ströme. Wir boten ihm Geschenke an, und für ein Paket Nähnadeln,eine Ahle, eine Schere und ein Stück Stoff gab er uns reichlich Mais, Trockenfrüchte, Salz, Truthähne und Hühner.
    «Und was werden wir jetzt tun?» fragte Carlier, nachdem wir uns von dem Häuptling nach gemeinsamem Rauchen der Friedenspfeife verabschiedet hatten.
    «Wir müssen den großen Fluß wiederfinden», sagte ich.
    Er senkte den Kopf und dachte nach.
    «Ich werde gehen und ihn suchen», sagte ich. «Wenn ich ihn gefunden habe, komme ich zurück und führe dich gleichfalls hin. Dieses Land hier ist reich, und die Indianer haben uns als Freunde aufgenommen; ihr könnt hier in Ruhe abwarten.»
    «Ich gehe mit dir», sagte Carlier.
    «Nein», erwiderte ich. «Der große Fluß ist weit, und wir kennen weder das Land noch seine Bewohner. Was ich allein tun kann, kann ich mit dir zusammen nicht tun.»
    «Ich gehe mit dir oder ohne dich», sagte

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