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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Eher das Gegenteil. Du hast dich nicht verändert.« Alexis reichte ihm die Weinflasche: »Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment auffassen soll ...«
    Sie seufzte. »Erbarmen. Ihr wollt jetzt hoffentlich nicht einen auf alte Kameraden machen.«
    »Doch«, erwiderte Charles und sah ihr direkt in die Augen, »du kannst es als Kompliment auffassen.« Dann, an Lucas gewandt: »Weißt du, dass dein Papa kleiner war als du, als ich ihn kennengelernt habe?«
    »Stimmt das, Papa?«
    »Das stimmt.«
    »Alex, hier brennt was an, wenn ich dich darauf aufmerksam machen darf.«
    Sie war perfekt. Charles überlegte, ob er Claire von diesem Abend erzählen sollte. Nein, besser nicht. Obwohl ... Alexis in Quechua-Bermudas mit ordentlich gestärkter Schürze »Ich bin hier der Chef«, das könnte ihr helfen, den Mythos zu vertreiben.
    »Und er war der größte Murmelspieler aller Zeiten.«
    »Stimmt das, Papa?«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Charles zwinkerte ihm zu, um zu bestätigen, dass es stimmte. »Und hattet ihr dieselbe Lehrerin?«
    »Na klar.«
    »Dann hast du auch Manouk geka–«
    »Lucas«, schnitt sie ihm das Wort ab, »du isst jetzt! Dein Essen wird sonst kalt.«
    »Ja, ich habe sie sehr gut gekannt. Und ich fand damals, mein Freund Alexis hatte Glück, eine solche Mama zu haben. Ich fand sie schön und lieb, und wenn man mit ihr zusammen war, wurde nur gelacht.«
    Als diese Worte raus waren, wusste Charles, dass er alles gesagt hatte, weiter würde er nicht gehen. Um es ihr zu demonstrieren und sie zu beruhigen, wandte er sich an die Hausherrin, bedachte sie mit einem charmanten Lächeln und schaltete um auf den Modus Schleimscheißer: »So, jetzt reicht’s mit der Vergangenheit. Dieser Salat ist köstlich. Und Sie, Corinne? Was machen Sie im Leben?«
    Sie zögerte eine Sekunde, beschloss dann, ihr Döschen mit den Stecknadeln fallen zu lassen. Fand es äußerst angenehm, von einem wohlerzogenen Mann, der seine Ärmel nicht hochkrempelte, eine hübsche Uhr trug und in Paris wohnte, um Auskunft gebeten zu werden.
     
    Sie erzählte von sich, und er gab ihr recht und trank mehr, als ihm gut tat.
    Um die Distanz zu wahren.
    Hörte nicht die ganze Zeit zu, verstand aber, dass sie in einem Personalbüro arbeitete (als sie das Wort aussprach, dürfte sie den Grund für das Lächeln ihres Gastes vollkommen falsch gedeutet haben), in einer Filiale von France Télécom, dass ihre Eltern von hier kamen, dass ihr Vater einen kleinen Betrieb mit Kühlräumen und Kühltruhen für das Gaststättengewerbe unterhielt, dass die Zeiten schwer waren, dass ihnen der Wind heftiger ins Gesicht blies und dass es auf der Welt ziemlich viele Chinesen gab.
     
    »Und du, Alexis?«
    »Ich? Ich arbeite bei meinem Schwiegervater! Als Kaufmann. Was ist denn? Habe ich was Dummes gesagt?«
    »...«
    »Ist was mit dem Wein? Hat er Kork, ist es das?«
    »Nein, ich dachte nur, du, ich, du wärst Musiklehrer oder hm ... Keine Ahnung.«
    In diesem Moment, am leicht verkniffenen Mund, an der Hand, die eine Fliege verscheuchte, am »Chef« auf seiner Schürze, die unter dem Tisch verschwunden war, konnte Charles sie auf der Stirn des Vertreters für Kühlaggregate endlich sehen, die fünfundzwanzig Jahre, die verstrichen waren.
    »Ach«, meinte er, »die Musik.«
    Gemeint war, dieses leichte Mädchen, diese Liebelei. Dieses üble Ekzem.
    »Was ist?«, fragte er besorgt. »Hab ich was Dummes gesagt?«
     
    Charles stellte sein Glas ab, vergaß den automatischen Aufwickler der Markise über seinem Kopf, den Tischabfalleimer passend zur Tischdecke und Alexis’ bessere Hälfte passend zum Tischabfalleimer: »Natürlich hast du was Dummes gesagt. Und das weißt du genau. In all den Jahren, seit wir unskennen, hast du nie etwas Wichtiges gesagt, ohne die Musik zu Hilfe zu nehmen. Und wenn du kein Instrument zur Hand hattest, dann hast du dir eins ausgedacht, als du im Konservatorium angefangen hast, bist du endlich zu einem guten Schüler geworden, wenn du vorgespielt hattest, waren alle aus dem Häuschen, wenn du traurig warst, hast du fröhliche Stücke gespielt, wenn du fröhlich warst, hast du uns zum Heulen gebracht, wenn Anouk gesungen hat, war es der Broadway, wenn meine Mutter Crêpes für uns gebacken hat, hast du dein verfluchtes Ave Maria ausgepackt, wenn Nounou seinen Moralischen hatte, hast du –«
    Er brachte seinen Satz nicht zu Ende.
    »Imperfekt, Balanda. Alles, was du gerade gesagt hast, liegt in der

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