Alles Ist Ewig
Sackgasse. Die Wände des Labyrinths schienen unaufhaltsam auf sie zuzurücken. Sie musste etwas unternehmen, aber es gab nichts, was sie hätte tun können.
Ihr Zimmertelefon klingelte. Haven griff nach dem Hörer wie nach einer Rettungsleine.
Es war jemand vom Empfang. »Sie haben eine Lieferung erhalten, Miss Moore. Darf ich sie raufbringen lassen?«
»Ja.« Haven spürte, wie sie sogleich wieder in ihrer Verzweiflung versank.
Der Bote, der kurze Zeit später an ihre Tür klopfte, verschwand fast komplett hinter einer Unmenge von Blumen. Das riesige Bouquet aus schneeweißen Pfingstrosen in seinen Armen war perfekt arrangiert. Kein einziges Blütenblatt tanzte aus der Reihe.
»Wo darf ich das abstellen?«, fragte er.
»Wahrscheinlich am besten auf der Kommode«, antwortete Haven, die zu sehr in ihre Gedanken vertieft war, um ihn einfach wieder wegzuschicken. Als der Mann an ihr vorbeiging, zog sie eine Karte aus dem Strauß.
Ich habe gerade die Neuigkeiten gehört. Aber das ist nur ein kleiner Rückschlag. Wir geben nicht auf. In Liebe, Adam.
Ein furchtbarer Gedanke formte sich in Havens Kopf. Hatte Adam die Rettungsaktion sabotiert, um sie länger in der Stadt zu halten? War die Suche von Anfang an ein Bluff gewesen? Was, wenn sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte? Wenn sie der falschen Person vertraut hatte? Doch unter all ihre Angst mischte sich auch ein fahler Hoffnungsschimmer. Wenn es kein Fehler gewesen war, hatte Beau immer noch eine Chance. Denn wenn irgendjemand Beau finden konnte, dann der Leiter der Ouroboros-Gesellschaft.
Der Bote war gegangen, ohne die Tür hinter sich zuzumachen, und Haven hörte jemanden auf dem Gang vor ihrem Zimmer die Titelmelodie eines Disneyfilms summen. Ein kleines Mädchen, das nicht älter als sieben oder acht Jahre sein konnte, hüpfte durch den Flur. Auf seinem hübschen Gesicht lag ein strahlendes Lächeln, und es hielt einen Strauß Narzissen in der Hand. Schließlich blieb es vor Haven stehen und streckte ihr die Blumen entgegen.
»Bist du Haven?«
»Ja, bin ich.«
»Dann sind die hier für dich«, sagte das Kind.
»Für mich?«, fragte Haven. »Hast du die gepflückt?«
»Nein, die sind von einem Jungen . Ich soll dir sagen …« Das kleine Mädchen schloss die Augen, um die Worte richtig wiederzugeben. »Er hat gesagt, die Blumen erinnern ihn an Rom. Und dass er dich vermisst. Aber er hat jetzt fast alles erledigt und will dich bald besuchen kommen.«
Iain .
»Wo hast du denn mit ihm gesprochen?«, wollte Haven von dem kleinen Mädchen wissen.
»Im Park«, antwortete das Kind, das schon wieder zurück über den Gang hüpfte.
»Georgia!« Die Stimme einer Frau drang aus einem der Zimmer um die Ecke. Das Mädchen winkte Haven noch einmal zu, dann war es verschwunden.
Im Badezimmer fand Haven ein Glas, in das sie die Narzissen stellte. Die Blütenköpfe hingen über den Rand der provisorischen Vase. In dem einen Frühling, den sie und Iain in Rom verbracht hatten, war ihre Wohnung voll von den gelben Blumen gewesen. Jedes Mal, wenn Iain unterwegs gewesen war, war er mit einem Strauß Narzissen zurückgekommen. Irgendwann im April waren alle Vasen, die es in der Wohnung gab, in Gebrauch gewesen, und die Blumen bevölkerten daher Wassergläser, Bleistifthalter und leere Konservendosen. Sie erhellten jeden Raum wie kleine Sonnenstrahlen.
Haven stellte das Glas auf ihren Nachttisch und betete, dass Iain wirklich bald alles erledigt haben würde. Sie sehnte sich so sehr nach ihm wie noch nie zuvor. Natürlich wünschte sie sich, dass Iain der Held war, aber wenn sein Plan nicht funktionierte, würde sie nicht zögern, sich an Adam zu wenden.
KAPITEL 24
W ir haben ihn nach Florenz geholt! Du hast geschworen, uns zu helfen!«, fauchte das kleine Mädchen. Sie war bei Beatrice aufgetaucht, wie sie es schon in der Vergangenheit getan hatte, verkleidet als Tochter eines der Bediensteten. Zuerst war Beatrice schockiert gewesen, ein Mädchen so reden zu hören. Aber seit dieser ersten Begegnung hatte Beatrice Dinge gesehen, die das Mädchen beinahe normal erscheinen ließen.
»Als ich mich bereit erklärt habe, euch zu helfen, hatte ich auch noch nichts, wofür es sich zu leben lohnt«, erwiderte Beatrice. »Dieses Haus war der reinste Käfig. Aber jetzt bin ich frei.«
»Und was mit den Menschen hier passiert, ist dir egal?«
»Warum sollte ich meine Freiheit für sie aufs Spiel setzen, wenn sie selbst nie einen
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