Alles Ist Ewig
Imitation eines versnobten britischen Akzents. »Ich glaube, Kultur ist genau das, was diese junge Dame jetzt gebrauchen kann.« Es war offensichtlich, dass sie schon einen Plan hatten. Beide hakten sich bei Haven unter und schleiften sie buchstäblich durch die Lobby und nach draußen auf die Straße. Dort wartete ein schwarzer Geländewagen auf das Trio.
»Zum Metropolitan Museum of Art«, sagte Alex zum Fahrer.
»Aber heute ist Montag«, bemerkte Haven. »Sind montags nicht die meisten Museen in New York geschlossen?«
Calum und Alex lachten. »Für uns nicht«, erwiderte Calum.
Am Eingang des Museums wurden sie von einer Frau empfangen. An ihrer weißen Bluse und dem formlosen grauen Rock erkannte Haven sofort, dass sie eine Ouroboros-Drohne war. Selbst das altehrwürdige Metropolitan war vor der OG nicht sicher.
»Es ist wie immer alles vorbereitet, Miss Harbridge«, sagte die Frau. »Wissen Sie noch den Weg zu der Galerie?«
»Natürlich!« Alex fegte an der Frau vorbei, ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Calum und Haven folgten ihr durch das verlassene Labyrinth aus Gängen im Erdgeschoss des Museums, bis sie schließlich eine Treppe hinuntergingen. Nach einer Weile schien Alex ihr Ziel erreicht zu haben. Vor einer Galerie stand ein kleiner Tisch. Darauf entdeckte Haven drei Kristallkelche und eine Flasche Champagner. Alex ließ den Korken knallen und schenkte ein.
»Danke«, sagte Haven, als sie das Glas entgegennahm, obwohl es kaum Mittag war und somit eigentlich ein bisschen früh für Alkohol, vor allem, wenn man dafür sowieso noch zu jung war.
»Auf Haven.« Alex hob ihren Kelch. »Mögen ihre Kleider eines Tages in diesem Museum ausgestellt werden.« Sie leerte ihr Glas und schenkte sich erneut ein. »Lasst uns reingehen.«
Haven betrat die Galerie und sah sich von blassen, dürren Schaufensterpuppen umgeben, deren seelenlose Augen sie aus Glaskästen anstarrten. Jede trug Kleidung aus längst vergangenen Epochen. Es gab spanische Hofgewänder, die mit geraubtem Gold aus Aztekentempeln verziert waren, und Kleider aus dem neunzehnten Jahrhundert, mit Reifröcken, die einer Lady das Sitzen unmöglich gemacht haben mussten. Ein paar der Puppen schienen vor imaginären Kameras zu posieren, während andere ihre Gesichter hinter handbemalten Fächern verbargen. Haven machte der Anblick wütend. Diese bleichen Museumsgespenster waren es nicht würdig, die echten Frauen zu verkörpern, die gestorben waren und ihren Besitz zurückgelassen hatten.
»Was ist das hier?«, fragte Haven.
»Das Kostüminstitut«, erklärte Alex. »Ich komme ziemlich oft her. Ich versuche, mir mich selbst in meinen vergangenen Leben vorzustellen, in denen ich vielleicht so was getragen habe.« Sie blieb vor einem scharlachroten, mit Perlen und Granatsteinen bestickten Kleid stehen. »Ich frage mich, wie das damals wohl gewesen ist«, fügte sie wehmütig hinzu, bevor sie weiterging.
»Alex kann sich nicht gut an ihre früheren Leben erinnern«, informierte Calum Haven flüsternd. »Ihre Eltern haben die Sachen, von denen sie als Kind gesprochen hat, nirgendwo dokumentiert. Sie dachten einfach, sie hätte ’ne kleine Schraube locker, und ich glaube, daran hat sich bis heute auch nicht allzu viel geändert. Ich hab Papa und Mama Harbridge letzte Weihnachten kennengelernt. Sag Alex nichts davon, aber das sind echt die langweiligsten Spießer auf der ganzen Welt. Sobald man anfängt, über irgendwas anderes als Fußball oder das Wetter zu reden, werden sie ganz nervös. Aber unsere liebe kleine Alex betet sie natürlich an.«
»Aber an irgendwas muss Alex sich doch erinnern«, entgegnete Haven. »Sie hat mir erzählt, dass sie in ihren letzten sieben Leben Schauspielerin gewesen ist.«
»Sie weiß nur das, was die Pythia ihr erzählt hat. Ach, und nur so nebenbei – hat Alex erwähnt, dass sie Marilyn Monroe gewesen ist?«
»Glaubst du das etwa auch?« Das musste eine von Phoebes Lügen sein. »Alex kommt mir eigentlich ziemlich intelligent vor. War Marilyn Monroe nicht ein bisschen dumm?«
»Überhaupt nicht. Sie hatte einen erstaunlichen Sinn für Humor. Und vielleicht hätten die Kritiker auch irgendwann begriffen, dass sie eine ziemlich gute Schauspielerin war, wenn sie nicht nur auf ihre Hupen gestarrt hätten.«
»Und du?«, fragte Haven. »An wie viel kannst du dich erinnern?«
»Ich? Mittlerweile an nicht mehr viel. Ich hatte einfach Glück, dass meine Mutter mich zur Ouroboros-Gesellschaft
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