Alles Ist Ewig
nicht gerade begeistert sein würden, aber eine solche Wut hatte sie nicht erwartet.
»Wir hatten eine Vereinbarung, Haven!«
»Tut mir leid. Die gilt nicht mehr«, erwiderte Haven. Sie drehte sich um und marschierte vom Auto weg zum Eingang des Hotels. Hinter ihr raste Chandras Taxi mit quietschenden Reifen davon.
Zurück in ihrem Zimmer widerstand Haven der Versuchung, alle möglichen Leute anzurufen, um sie über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Sie wollte lieber abwarten, bis sie wirklich Neuigkeiten zu verkünden hatte. Stattdessen begann sie mit dem Kleid für die junge Schauspielerin und benutzte dafür eine der Stoffrollen, die noch immer an der Wand ihres Hotelzimmers lehnten. Während der Arbeit ließ sie das Telefon nicht aus den Augen. Doch je mehr Zeit verstrich, desto stärker wurde das Gefühl, dass ihr Optimismus womöglich doch etwas voreilig gewesen war. Irgendetwas stimmte nicht – das spürte sie. Wenn die Polizei so genau wusste, wo Beau zu finden war, warum brauchten sie dann so lange?
Drei Stunden später machte Haven den letzten Stich an der wunderschönen grünen Ausführung eines Kleids, dass in ihrer Boutique in Rom in Blassblau ein Verkaufsrenner gewesen war. Gerade als sie es vorsichtig auf einen Kleiderbügel hängen wollte, verkündete ihr das leuchtende Display ihres Handys, dass sie eine E-Mail bekommen hatte. Sie ließ das Kleid zu Boden fallen und öffnete die Nachricht.
»Herzlich willkommen in der Ouroboros-Gesellschaft, Haven Moore«, las sie. »Auf Ihren Namen wurde ein Konto eröffnet, und Sie haben eine neue Gutschrift von Lucy Fredericks.«
»Was soll das denn?«, murmelte Haven, die nun endlich wieder den Namen der jungen Schauspielerin wusste. Sie hatte das Mädchen gebeten, sie bar zu bezahlen. Und jetzt hatte Haven ein OG-Konto, das sie nie gewollt hatte. Sie musste es so schnell wie möglich wieder schließen, und es gab nur eine einzige Person, die sie deswegen um Rat fragen konnte.
»Haven? Wie geht es dir?«, fragte Frances.
»Gut. Wir stehen vielleicht kurz davor, Beau zu finden.« Sie wünschte, ihre Stimme klänge zuversichtlicher.
»Das sind ja wunderbare Neuigkeiten!«, rief Frances. »Wo war er denn?«
»Das erzähle ich dir alles später, erst mal wollte ich fragen, ob ich Iain kurz sprechen könnte.«
»Iain? Den hab ich seit Tagen nicht mehr gesehen«, gab Frances zurück. »Ich dachte, er wäre bei dir.«
»Seit Tagen?«, wiederholte Haven, während sie sich bemühte, ruhig zu bleiben. »Hat er denn nicht bei dir übernachtet?«
»In den letzten paar Nächten nicht. Wo könnte er denn sonst untergekommen sein?« Haven merkte, dass Frances’ Sorge genauso schnell wuchs wie ihre eigene. »Macht er sich denn gar keine Gedanken, dass ihn jemand sehen könnte? Um Himmels willen, Haven. Habt ihr denn beide den Verstand verloren? Iain ist offiziell tot!«
In der Leitung tutete es. »Warte mal kurz, Frances«, sagte Haven. »Ich kriege gerade noch einen Anruf. Vielleicht ist es ja Iain.« Sie nahm den Anruf an. »Hallo?«
»Haven Moore?« Der Mann sprach mit einem Brooklyn-Akzent, der ihr bekannt vorkam.
»Ja?«
»Hier ist Gordon Williams von der New Yorker Polizei. Man hat mich gebeten, Sie direkt zu kontaktieren. Ich weiß, Ihnen wurde mitgeteilt, dass wir heute einer vielversprechenden Spur gefolgt sind. Allerdings muss ich Ihnen leider sagen, dass wir Ihren Freund Beau Decker noch nicht ausfindig machen konnten.«
»Was? Aber Sie hatten es doch versprochen!« Haven kreischte beinahe.
»Es tut mir sehr leid, Miss Moore. Ich hätte nicht so voreilig sein dürfen.«
»Und jetzt – geben Sie einfach auf? Sie können die Suche nicht abbrechen! Sie müssen ihn finden! Die Frau in dem Lebensmittelladen hat doch gesagt, er sei verletzt gewesen!«
»Seien Sie versichert, dass wir die Suche fortsetzen. Wir sind dazu angehalten worden, die Suche auf die benachbarten Blocks auszudehnen.« Commissioner Williams klang resigniert, als wäre er sich sicher, dass das alles sowieso nichts bringen würde. »Aber falls Sie sich noch an irgendetwas anderes erinnern sollten, rufen Sie mich bitte sofort an. Im Moment können wir jeden neuen Hinweis gebrauchen, den wir bekommen können.«
»Okay«, murmelte Haven.
»Geben Sie die Hoffnung nicht auf«, sagte Commissioner Williams.
»Ich werd’s versuchen«, erwiderte Haven. Sie legte auf und vergaß Frances, die noch immer in der anderen Leitung gewartet hatte. Ihre Panik war zurück. Wieder eine
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