Alles ist grün
Die erobern den ganzen Planeten. Am Ende sitzen die am Drücker oder die Insekten. Und das sei ein verdammt kleiner Unterschied, könne er hinzufügen. Er zerdetscht ein paar Mücken, die stoisch auf dem rüttelnden Armaturenbrett sitzen. Riecht an seinen Fingern. Die sind überall, sagt er: Scheißasiaten. Rechnen sich die Sache mit acht aus und malochen dann ausdruckslos ihre Zwanzigstundentage. Wissen genau, dass ihre Menge ihreeinzige Stärke ist. Er fragt, wann jemand in diesem Auto das letzte Mal einen einzelnen Asiaten gesehen habe, der nicht einen ganzen Ameisenhaufen anderer Asiaten um sich herumschwärmen hatte. Die reisen im Rudel. Der Chrysler, der sie überholt hat, hatte einen um Vorsicht bittenden Aufkleber an der Stoßstange: Baby an Bord. J. D. Steelritter kann gleichzeitig reden, gestikulieren und rauchen.
Mark zerdrückt eine stinkende Mücke und starrt aus dem Fenster. DeHaven fährt so schnell, dass die gestrichelte Mittellinie der Landstraße durchgezogen erscheint. Der Mais ist hier ein bisschen verkümmert, und Mark kann glattweg bis zur Erdkrümmung sehen: dunkelgrün weicht blassgrün, wird wieder dunkelgrün und normalgrün, und am Saum des Horizonts im Süden drängen sich kleine weiße Farmhäuser und Bäume als Windbrecher.
J. D. Steelritter ist wie viele ältere Erwachsene intolerant bis dorthinaus. Mark Nechtr ist das, wie die meisten jungen Menschen in dieser seltsamen Zeit, NICHT . Dabei muss er zugeben, dass sein Arassismus völlig eigennützige Gründe hat. Wenn alle Schwarzen großartige Tänzer und Sportler sind und alle Asiaten intelligent, identisch und fleißig, wenn alle Juden sich großartig aufs Geld- und Literaturmachen verstehen und sich dank ihrem Zusammenhalt so gut durchboxen, und wenn schließlich alle Latinos großartige Liebhaber und Messerstecher und Grüngrenzgänger sind – ja meine Fresse, was bleibt dann eigentlich noch den weißen angelsächsischen Protestanten? Welche großartige Gemeinsamkeit bringt uns Weißbrote für den Rassisten unter das solide Dach des Stereotyps? Nichts. Ein namen- und gesichtsloser großer weißer Mann. Für Mark ist Rassismus eine Art schräger Masochismus. Eine Methode, dank der wir uns absolut und sinnlos allein fühlen. Identitätslos. Mehr als Sternberg seine Körperlichkeit und mehr als D. L. den vormodernen Realismus hasst, hasst Markdie Vorstellung, allein zu sein. Der Solipsismus tangiert ihn wie ambrosianische Metafiktion. Er ist der schrille Sirenengesang, der ihn an die Pulsadern treibt. Er ist das Ende des langen, langen, langen Rennens, das man verfolgt hat, aber am Ende bekommt man nicht mit, wer gewonnen hat, so verzückt ist man von der Schönheit der Erschöpfung auf den Gesichtern der Läufer, die die Ziellinie überqueren und dann mit in die Seiten gestemmten Händen und gekrümmt nach Luft ringend im Kreis herumschwanken.
In einer ähnlichen Entwicklung muss ich jetzt offenbaren, dass Mark psychologisch diagnostizierte emotionale Probleme hat. Er hat sich sogar immer wieder in irgendwelche Anstalten begeben, was die Jugendlichen an der E. C. T., die ihn schätzen und lieben, überraschen würde. Nicht Marks Gefühle sind durcheinander oder gestört, sondern seine Beziehung zu ihnen. Deswegen wirkt er immer so kühl und neutral fröhlich. Wenn er Gefühle hat, ist es, als verweigere er den Zugang zu ihnen. Er fühlt sich nie als Herr seiner Gefühle. Wenn er Gefühle hat, scheint er auf Distanz zu ihnen zu gehen; er fühlt sich körperlos, anders. Außer beim Bogenschießen fühlt er kaum je etwas. Und wenn er schießt, langsam an der Sehne seines komplizierten Bogens zieht, die statuenhaften Hände in den Halbfingerhandschuhen des Bogenschützen, wenn die zwölfsträngige Sehne sirrt und der fiese Schaft pfeifend eine Stelle links von seinem schlussendlichen Ziel anpeilt, steht er irgendwie neben sich, als Augenzeuge seiner eigenen Freude.
Soll heißen, entweder er fühlt nichts, oder er fühlt nichts.
Magda Ambrose-Gatz steckt im umgekehrten Dilemma, was weit nobler und tragischer ist. Und niemand kann das je wissen. Denn wo Marks Natur die eines Subjekts ist, hat Magda den Charakter – weiblich und vorzeitgenössisch – eines Objekts. Mark bewirkt das, was sich auf Magda auswirkt. Sie ist immer ein Objekt gewesen: Objekt des vorpubertären, weiblich gereimten Sehnens von Ambrose, dem Kind, und der kalten postmodernen Konstruktion von Ambrose, dem Erwachsenen, Objekt von des
Weitere Kostenlose Bücher