Alles Ware - Glanz und Elend der Kommerzkultur
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Angriff auf das Markenimage.
Anti-Coca-Cola-Kampagne in den USA
|138| Die mörderischen Praktiken hatten ganz profane, für Cola günstige Auswirkungen: Die Monatslöhne sind in den vergangenen Jahren
von 380 Dollar auf 130 Dollar gesunken. Gewiss, man kann fragen, inwiefern die Coca-Cola-Zentrale in Atlanta für unabhängige
Zulieferfirmen verantwortlich ist. Aber man kann auch fragen, ob nicht ein global agierender Multi, der um sein Marken-Image
besorgt sein muss, auf die Achtung der Menschenrechte in seinem Firmen-Kosmos mehr Bedacht legen muss. Genau auf diesen wunden
Punkt legten die Sinaltrainal-Gewerkschafter den Finger. Gewerkschaftsführer, die die Repressionswelle überlebten, flohen
nämlich in die USA und begannen eine öffentliche Kampagne gegen die Coca-Cola-Company, die schließlich viel erfolgreicher
war, als es jede klassische gewerkschaftliche Protestform je hätte sein können. Sie fanden Unterstützung bei amerikanischen
Gewerkschaften und bei studentischen Aktivisten, reisten in der Welt umher, um bekannt zu machen, wofür die Firma, die wie
keine andere die westliche Konsumkultur und ein unbeschwertes Lebensgefühl repräsentiert, sonst noch steht: für brutale Bedenkenlosigkeit,
wenn es um Märkte und Geschäfte geht. Schon die Boykottaktionen kosten das Unternehmen einige Millionen Dollar. Für die Geschäftsbilanz
des Multis ist das vielleicht eine Petitesse. Aber der Imageschaden ist beträchtlich.
Das hat die Coca-Cola-Company am Ende auch eingesehen. Jahrelang hat sie sich taub gestellt, höchst allgemein ihr Bekenntnis
zu »Menschenrechten« bekundet |139| und auf Vorschläge, man möge eine internationale Kommission mit der Prüfung der Vorwürfe betrauen, nicht einmal geantwortet.
Doch im Frühjahr 2006 hat der Konzern den Schalter umgelegt. Auf der Coca-Cola-Homepage fanden sich massenweise Bekenntnisse
zur Wirtschaftsethik. Vor der Fußball-WM wurden kolumbianische Coca-Cola-Repräsentanten eigens nach Deutschland geflogen,
wo sie darlegen mussten, wie sehr ihnen Arbeiterrechte am Herzen liegen. Eine eigene Homepage wurde eingerichtet, auf der
täglich aktualisiert »Facts über Coca Cola« verbreitet wurden. Cola-CEO Neville Isdell ist zu UNO-Generalsekretär Kofi Annan
gepilgert, um ihm die Unterstützung des Unternehmens im »Kampf für Menschenrechte, Arbeiterrechte, Umweltschutz und gegen
Korruption« zuzusichern. Coca-Cola wolle »eine Führungsrolle spielen, um die Rechte und die Sicherheit von Arbeitern auf der
ganzen Welt« zu stärken. Dass in Kolumbien Arbeiterrechte mit Gewalt unterdrückt werden, wird jetzt auch gar nicht mehr geleugnet.
Eine internationale Untersuchung, von Coca-Cola lange abgelehnt, wurde schließlich von der Konzernzentrale selbst gefordert.
Die »ethische Wirtschaftsberatung« von Leuten wie Klaus M. Leisinger und die Kalamitäten, in die globale Markenkonzerne wie
Coca-Cola regelmäßig kommen, sind beide ein Symptom für einen eigentlich überraschenden, kuriosen Sachverhalt: Die Kulturalisierung
der Ökonomie ist auch ein Hebel zur Verbesserung der Welt. Der durchschnittlich kommerzkritische Bürger würde diese Behauptung
wohl zunächst als ziemlich absurd zurückweisen – schließlich ist doch allgemeine Meinung, dass der Kommerz die Welt schlecht
macht. Aber wenn man sich die Sache überlegt, ist es eigentlich ganz einfach: Wenn die Konsumenten nicht mehr in erster Linie
Gebrauchsgüter |140| kaufen, sondern Lifestyle – was meist nur ein anderes Wort ist für »gutes Gefühl« –, dann können sich die Multis nicht mehr
alles erlauben. Ein multinationaler Konzern, der rücksichtslos agiert, Dumping-Löhne zahlt und die Umwelt verpestet, der hat
ein Imageproblem; dem drohen Umsatzeinbrüche, aber mehr noch – ein Verfall des Markenwertes und damit eine Entwertung des
wichtigsten Vermögens, über das er verfügt. Darauf setzen, selbst wenn ihnen das oft gar nicht so bewusst ist, die Anti-Marken-Aktivisten,
und damit spekulieren Initiativen wie der »Global Compact« der UN, für die Leute wie Leisinger arbeiten. Die Konzerne sind
dazu gehalten, sich »frei willig « anständig zu verhalten – aber ganz so »freiwillig« ist die Sache natürlich nicht.
Shell, Nike, Wal-Mart, Coca-Cola – die Liste der großen internationalen Konzerne, die wegen Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen,
Umweltzerstörung oder weil sie von miserablen Arbeitsbedingungen
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