Alphawolf
Widerspruch auf der Zunge, doch sie schwieg. Sie beschloss, ihn in dem Glauben zu lassen, denn ihre Mutmaßung über die Identität des Täters war so unglaublich, dass niemand davon erfahren durfte.
Claw hatte Recht. Sie konnten sich den Luxus nicht leisten, sich Zeit zu lassen, sondern mussten Dante so schnell wie möglich finden.
«Irgendwas ist da im Busch, das hab ich im Urin.» Der Mann schloss seinen Koffer, seine Arbeit war beendet. «Es sind Stammesmitglieder der Yup’ik und Cup’ik verschwunden. Bestimmt sind sie untergetaucht.»
Oder einfach nur in eine andere Stadt gezogen. Die Indianer mussten immer noch für wilde Spekulationen herhalten. Hätte der Mann gewusst, dass sie eine Athabascan war, hätte er seine Vorurteile für sich behalten. «Gerüchte.»
Er schnaubte. «Was für ein Scheiß-Tag heute!» Dann ließ er Tala einfach stehen.
Als sie sich umdrehte, stand Lupus plötzlich hinter ihr.
Kapitel 11
Lupus’ petroleumblaue Mütze ragte aus seiner Jackentasche heraus. Der alte Mann grinste. «Du siehst überrascht aus. Hast du etwa gedacht, wir würden kein Auge mehr auf dich werfen?»
«Ich dachte tatsächlich, dass ihr Besseres zu tun habt», spielte sie auf die Suche nach Rufus an. Lupus hatte sie erschreckt, das war wahr, aber sie konnte ihm nicht böse sein, denn er strahlte eine solche Freundlichkeit aus, dass man ihn einfach gernhaben musste. Sie ermahnte sich jedoch, nicht den Wolf in ihm zu vergessen.
Er verstand ihre Anspielung. «Einer muss dich ja beschatten. Ich hab mir wohl einen Schnupfen eingefangen, daher habe ich mich freiwillig gemeldet.»
Lupus sah wirklich blass aus. Aber seine Nase klang weder verstopft noch war seine Stimme belegt. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie zwei Verfolger hatte abhängen müssen. Bei einem war es ihr offensichtlich nicht gelungen. Wie sah es mit Matt Jerkins aus? Sie sah sich um.
«Er steht hinter dem Aufsteller in dem Laden für Skater-Kleidung und beobachtet uns durch die Scheibe», sagte Lupus entspannt.
Tala ließ resigniert ihre Arme hängen. «Du weißt von ihm?»
«Hab alles gesehen.» Er klang zufrieden mit sich selbst.
«Das mit dem Karibu war eine blöde Idee», gab sie zerknirscht zu. «Aber mir fiel kein anderer Vorwand ein, unter dem ich Kontakt mit ihm aufnehmen und ihn ausquetschen konnte.» Und nun wurde sie Jerkins nicht mehr los.
«Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Wir stehen auf derselben Seite.»
Taten sie das? Es war das erste Mal, dass sie das Gefühl hatte, zum Rudel dazuzugehören. Dennoch, sie war kein weiblicher Werwolf und Claw sah sie als lästiges Übel an. Aber Rufus mochte sie, da war sie sich sicher, und Lupus auch.
Eifrig erzählte sie ihm alles, was sie gehört und gesehen hatte. Von der Zerstörung und dem Mord im indianischen Kulturzentrum und dem Chaos im Education Center des Wolf Song of Alaska.
Lupus’ Miene wurde immer finsterer. «Dante hinterlässt eine Schneise der Verwüstung. Er befindet sich auf einem Rachefeldzug gegen Indianer und Wölfe.»
«Es mag Rache sein, ja», begann sie nachdenklich. «Aber mir kam ein anderer Gedanke. Zuerst war sein Ziel das Alaska Native Medical Center, genau genommen das Labor.»
Er zuckte lässig mit den Schultern. «Und?»
«Danach stieg er ins Alaska Native Heritage Center ein und nun hier.» Tala machte eine ausladende Geste. «Eine indianische Zeremonie hat ihn versehentlich zu dem gemacht, was er jetzt ist.»
«Er hasst alle Indianer abgrundtief und Werwölfe sowieso», warf Lupus ein.
«Aber eine Zeremonie der Indianer könnte möglicherweise den Fluch auch wieder von ihm nehmen», gab sie zu bedenken. «Könnte es nicht sein, dass Dante auf der Suche nach einer Lösung für sein Problem ist?
Nachdenklich rieb Lupus über seine Wange, als würde er prüfen, ob er sich heute noch ein zweites Mal rasieren musste. «Hhmmᅠ...»
«Euch kann er schlecht um Hilfe bitten. Ihr würdet ihn gleich in Stücke reißen.» Das klang wie ein Vorwurf und Tala revidierte ihn nicht.
«Weil er uns angegriffen hat», stellte er klar und tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn. «Sein Hirn ist zerfressen von Wut. Mag sein, dass ein paar Gehirnzellen noch menschlich denken, aber auch sie werden bald vom Zorn überschwemmt werden und dann wird er alles töten, was ihm in den Weg kommt. Der Mitarbeiter des Kulturzentrums war nur der Anfang. Wenn die Hemmschwelle erst überwunden ist, geht es ganz leicht, das haben alle Werwölfe erfahren, denn in
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